AERZTE Steiermark | Dezember 2017
Ærzte Steiermark || 12|2017 7 Fotos: Oliver Wolf, Elke Meister, Harry Schiffer, KAGes, Grafik: Konrad Lindner Eine junge Kassenallgemeinmedizinerin wurde im Herbst von der Tageszeitung „Die Presse“ zur Österreicherin des Jahres gewählt. Sie ist zwar die jüngste, aber nicht die einzige junge Kassenärztin. Es gibt sie, diese jungen Ärztinnen und Ärzte, die genauso wie ihre älteren Kolleginnen und Kolle- gen die Menschen in ihrer Region betreuen, ver- sorgen, heilen wollen und das auch täglich tun. Ob sie das in der Einzelpraxis tun oder im Team eines Zentrums, ist natürlich keine unwichtige, aber nicht die entscheidende Frage. Sie kann es gar nicht sein, weil es nicht überall eine Grup- penpraxis oder ein Zentrum geben kann. Den berühmten „Landärztemangel“ gibt es auch nicht deswegen, weil das Land so unbeliebt ist. Es gibt ihn, weil am „Land“ das Fehlen einer Ärztin, eines Arztes mehr ins Gewicht und vor allem mehr auffällt als in einer Stadt mit mehr Arztpra- xen. Der Kärntner Gebietskrankenkassendirektor hat kürzlich in einem Zeitungsinterview offen ein- gestanden, dass es einen Kassenärztemangel gibt, dass Kassenstellen als immer weniger begehrens- wert empfunden werden. Dieses Eingeständnis wünsche ich mir auch in der Steiermark – als ersten Schritt, um diesen Kassenärztemangel zu beheben. Was zu tun ist, haben ebenfalls die jungen Kas- senärztinnen und -ärzte einhellig gesagt. Die Leis tungskataloge müssen modernisiert werden, die Honorierung muss so gestaltet werden, dass sie Ärztinnen und Ärzte nicht in die Minuten- und Massenmedizin zwingt. Bürokratie ist abzubauen. Und es muss die Vielfalt an Arbeitsformen geben, die Ärztinnen und Ärzten mit unterschiedlichen Biografien ein Angebot macht: Sei es Jobsharing, Einzelpraxis, Netzwerk oder Gruppenpraxis – jede Form muss möglich werden. Und zwar ohne unbegründete Zwangsabschläge und Strafzölle. Vizepräsident Dr. Norbert Meindl ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte. extra Norbert Meindl Vielfalt ohne Strafzölle für Kassenärzte Standortbestimmung Herwig Lindner Ja zu Reformen. Nein zur Zerstörung Vielleicht gibt es ja keinen Zusammenhang zwischen dem Ver- such, das österreichische Gesundheitssystem billiger zu machen, und einer Veranstaltung, bei der ExpertInnen der EU und der OECD beklagten, wie teuer und reformbedürftig das öster reichische Gesundheitssystem sei. Die Kritik an zu fragmen- tierten Zahlungswegen und an der Überlastung der Spitäler ist auch durchaus diskussionswürdig. Aber: Andere Gesundheitssysteme, etwa skandinavische, die für ihre geringe(re) Zahl an Spitalsbetten, „stärkere Primär- versorgung“ und elegante Zahlungsstrukturen von Gesundheitsökonomen oft in den höchsten Tönen gelobt werden, sind keineswegs billiger als das österreichische. Bei den öffentlichen Ge- sundheitsausgaben liegt Österreich (gemessen am Bruttoinlandsprodukt) an zehnter Stelle inner- halb der OECD, hinter Deutschland sowieso, aber auch hinter Schweden, Dänemark, Frankreich … Selbst die USA geben einen höheren BIP-Anteil für das öffentliche Gesundheitswesen aus als Ös- terreich. Ja, es gibt auch Länder, in denen die Bevölkerung länger lebt und mehr gesunde Lebensjahre erlebt als in Österreich. In Malta etwa oder in Schweden. Aber auch in Polen oder Ungarn. Nicht jedoch in Dänemark oder den Niederlanden. Sollen wir uns deswegen ein Beispiel am polnischen, ungarischen oder maltesischen Ge- sundheitssystem nehmen? Oder am griechischen? Müssen wir – besser: unsere Politiker und Experten – nicht stattdessen akzep- tieren, dass das subjektive Gesundheitsempfinden gar nicht so viel mit der Qualität des Gesundheitssystems zu tun hat? Was Ärztinnen und Ärzte können – und das können sie in Ös- terreich sehr gut: Menschen lange am Leben erhalten. Sie kön- nen Krankheiten den Schrecken nehmen. Sie tun das unter im- mensem persönlichem Arbeits- und Zeitdruck. Aber sie werden das immer schlechter können, je geringer ihre Ressourcen sind und je mehr man ihnen die Motivation nimmt, an ihre eigenen Grenzen und darüber hinaus zu gehen. Dann nämlich wird das österreichische Gesundheitssystem tat- sächlich teuer werden. Und sicher nicht effizienter. Also lasst die Ärztinnen und Ärzte arbeiten. Lasst sie auch reformieren, was zu reformieren ist. Aber zerstört ihren Arbeitswillen und ihre Leidenschaft für den Beruf nicht. Dr. Herwig Lindner ist Präsident der Ärztekammer Steiermark. debatte
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