AERZTE Steiermark | Jänner 2018
44 ÆRZTE Steiermark || 01|2018 NIEDERGELASSENE ÄRZTINNEN UND ÄRZTE der Steiermark keine GKK- Planstellen gibt, müssen auch Versicherte kleiner Kassen die Leistungen bei den Wahlärz- tinnen und Wahlärzten (für Kinder- und Jugendpsychiat- rie) zuerst auslegen, bekom- men sie dann aber innerhalb kurzer Zeit von ihrer Kran- kenversicherung rückerstattet – und das komplett. Bei GKK-Versicherten müs- sen die (Wahl-)Ärztinnen und -ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie dagegen – soweit möglich – auf Po- sitionen aus der Erwachse- nen-Psychiatrie ausweichen, damit die Versicherten eine Chance auf Rückersatz haben. Aber dieser Katalog ist für Kinder und Jugendliche ver- ständlicherweise nur teilweise geeignet. Und vieles fehlt. Eine „entwicklungspsycho- pathologische Diagnostik“ (Position aus dem Wiener GKK-Katalog) gibt es für Er- wachsene halt nicht … Ein ausreichend dichtes Netz aus niedergelassenen Fach- ärztinnen und Fachärzten für Kinder- und Jugendpsychiat- rie, anderen Betreuungsein- richtungen, Krankenhäusern mit tagesklinischen und sta- tionären Angeboten ist aber mehr als notwendig: „Deut- lich wird uns neben allen anderen Gesundheitsthemen immer mehr, wie dramatisch besorgniserregend es um die psychosoziale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen steht. Bindungsstörungen, depressive Verstimmungen, fehlende Impulskontrol- le, Angststörungen, Essstö- rungen, Rückzug in virtuelle und nicht selten viel zu »frü- he« pornografische Welten, Zwangsstörungen, psycho- somatische Erkrankungen … die Liste ist nicht nur lang, es sind vor allem immer mehr Minderjährige davon betroffen“, schreibt Christoph Hackspiel, Präsident der Ös- terreichischen Liga für Kin- der- und Jugendgesundheit im „Bericht zur Lage der Kin- der- und Jugendgesundheit in Österreich 2017“. Die Lage aus Expertensicht ist insgesamt nicht rosig: In der zigen Träger … Für die Akut behandlung und die stationäre Behandlung bräuchte es ein Krankenhausbett auf 10.000 Einwohner. Davon ist man in Österreich in den meisten Regionen noch weit entfernt, da ca. zwei Drittel der benöti- gten stationären Kapazitäten fehlen. Für die Psychotherapie Minderjähriger gibt es viel zu wenige durch die Kassen vollfinanzierte Behandlungs- plätze. Psychotherapie mit Selbstbehalt können sich spe- ziell einkommensschwache Familien nicht leisten. Die wenigen Ambulatorien mit Psychotherapieplätzen sind mit einer stetig wachsenden Nachfrage konfrontiert, der sie in dieser Dimension aber nicht nachkommen können.“ Das Fazit Kienbachers: „Die- sen zur Therapie motivierten Kindern und Jugendlichen die notwendigen Unterstüt- zungen anzubieten, würde nicht nur persönliches Leid in diesem Lebensalter mini- mieren, sondern auch verhin- dern, dass sich die Zustands- bilder chronifizieren und im Erwachsenenalter umso auf- wendigere Therapien benöti- gen …“ Kinder- und jugendpsychi- atrische Kassenstellen sind, betont auch der Obmann der Niedergelassenen Ärzte in der Steiermark, Vizepräsident Norbert Meindl, die Grundla- ge. Und genau diese Grund- lage fehlt in der Steiermark komplett. Kinder- und Jugendpsychi- atrie gab es in den letzten zehn Jahren eine Steigerung der FachärztInnen mit Kas- senverträgen von Null auf 26,5 Ordinationen. „Für ganz Österreich wäre aber eine Zahl von 100 Kassenverträ- gen notwendig, um die Vor- gaben des österreichischen Strukturplanes Gesundheit zu erfüllen“, heißt es in einem Beitrag von Prim. Christian Kienbacher (Vorstandsmit- glied der Österreichischen Liga für Kinder- und Jugend- gesundheit) im gleichen Be- richt. Thomas Kröpfl, Obmann der Fachgruppe Kinder- und Ju- gendpsychiatrie in der Stei- ermark, rechnet vor, dass die Steiermark für eine Versor- gung nach internationalen Standards 10 bis 12 Kassen- stellen bräuchte. Ambulatorien, tagesklinische und vollstationäre Einrich- tungen sind kein Ersatz da- für, sondern zusätzlich not- wendig, wie auch Kienbacher betont: „Auf der Ebene der Ambulatorien, welche auf die komplexen kinder- und jugendpsychiatrischen He- rausforderungen ausgerichtet sind, gibt es auch nur eine geringe Anzahl von Ambu- latorien in Österreich. Die meisten multiprofessionellen Ambulatorien sind nicht zur Gänze durch die Krankenkas- sen finanziert, sondern haben einen gewichtigen Spenden- anteil durch die gemeinnüt- Die kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung in Österreich ist generell verbesserungswürdig. In der Steiermark ist sie noch schlechter als in anderen Bundesländern. Foto: Fotolia
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