AERZTE Steiermark | Jänner 2018
ÆRZTE Steiermark || 01|2018 7 Fotos: Oliver Wolf, Elke Meister, Harry Schiffer, KAGes, Grafik: Konrad Lindner 2017 wurden in der Steiermark rund 60 GKK- Planstellen ausgeschrieben. 15 Stellen, 10 allge- meinmedizinische und 5 fachärztliche, sind bis dato nicht zu besetzen. Das ist ein Viertel der ausgeschriebenen Stellen. Wenn das nicht alle Alarmglocken schrillen lässt, ist das Wirklich- keitsverleugnung. Aus der GKK hören wir aber leider, dass es keine Probleme gäbe. Das ist so, als ob die Voestalpine fehlende Lehrlinge an ihrem Standort in Leoben nicht als Problem sieht, weil sie ja weltweit MitarbeiterInnen hat. Diese Verweigerungshaltung führt auch dazu, dass die GKK sich damit begnügen will, die Kas- senhonorare kosmetisch anzupassen, statt Kas- senstellen tatsächlich attraktiv zu machen. Das wird aber nicht reichen. Historisch gewach- sene Limite und Degressionen können vor allem junge Ärztinnen und Ärzte nicht verstehen, aber auch die Patientinnen und Patienten nicht. Wa- rum Kassenärztinnen und -ärzte nur bei 5 bis 15 Prozent ihrer Patientinnen und Patienten einen Verbandswechsel verrechnen dürfen, ist völlig un- erklärlich. Entweder ein Verband muss gewech- selt werden oder nicht. Ein Prozent-Limit ergibt da überhaupt keinen Sinn. Das ist nur ein kleines Beispiel von vielen. Damit quält die GKK im Grunde nur ihre Vertragspart- ner. Und sorgt dafür, dass es immer weniger gibt, die Vertragspartner werden wollen. Ob Einzel- praxis oder Gruppenpraxis, macht da keinen Un- terschied, die Probleme sind immer die gleichen. Kolleginnen und Kollegen, die schon länger „im System sind“, haben gelernt, mit diesen nicht begründbaren Hürden zu leben – zumindest die meisten. Es geht jetzt aber um die kommenden Generationen, um die jungen Ärztinnen und Ärzte, die beides wollen: eine gute Beziehung zu ihren Patientinnen und Patienten und ein System, das diese Beziehung nicht behindert. Es ist also höchste Zeit für eine echte Reform. Vizepräsident Dr. Norbert Meindl ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte. EXTRA Norbert Meindl Höchste Zeit für eine echte Kassen-Reform STANDORTBESTIMMUNG Herwig Lindner Problem erkannt, jetzt muss es gebannt werden Nehmen wir einmal ein nichtärztliches Beispiel – die Psycho- therapie. Seit mehr als einem Jahrzehnt erhalten die Menschen, die nicht das Glück haben, eine der wenigen kontingentierten Kassenpsychotherapie-Stellen zu ergattern, einen „Wahltherapie- Zuschuss“ von 21,80 Euro pro Stunde. Das war vor 15 Jahren in etwa die Hälfte einer billigen Therapiestunde, heute ist es nur mehr ein Drittel. Das ist kein wirtschaftliches Problem für die Therapeutinnen und Therapeuten. Es ist eines für die hilfesuchenden Menschen, die heute tiefer in die Tasche greifen müssen. Das Wartezeitenproblem bei den Instituten für bildgebende Diagnostik scheint gelöst, weil die (als Mitglieder der Wirtschaftskammer) eine dreiprozentige Reduktion der Honorare akzep- tiert haben. Aber Wartezeiten auf Kassenleis tungen gibt es in vielen Bereichen. Vielleicht ist es das nächste Mal die Physiotherapie oder die Ergotherapie. Im ärztlichen Bereich federn wir als Ärztinnen und Ärzte vieles ab. Und wenn es dann doch einmal Probleme gibt, beklagen sich Patientinnen und Patienten eher unmittelbar bei der Ärztin oder dem Arzt als bei einem anonymen System. Kürzlich hat eine Patientin sich über soziale Medien darüber aufgeregt, dass sie in einer allgemeinmedizinischen Praxis ge- fragt wurde, ob sie einen Termin hätte. Den hatte sie als Akutfall (nach eigener Schilderung) nicht. Was sie empört war, dass sie nach einem Termin gefragt wurde und dass sie warten muss- te. „Angeblich“ so schrieb sie, gäbe es zu wenig Ärztinnen und Ärzte. Von „angeblich“ kann keine Rede sein, wie wir wissen. Die Zahl der Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Gesundheits- system wächst mit der Zahl der Patientinnen und Patienten und deren Anforderungen nicht adäquat mit. Dafür aber das „System“ anzuklagen, kommt vielen nicht in den Sinn. Stattdessen müssen es die Ärztinnen und Ärzte ausbaden. Zur normalen Überlastung, die wir alle kennen, kommt noch die Belastung durch Patientinnen und Patienten, die sich teils durchaus zu Recht aufregen – nur an der falschen Stelle. Wenn wir wollen, dass sich das System verbessert, dürfen wir seine Schwächen nicht kaschieren. Wir müssen sie in jeder nur denkbaren Form anprangern. Dr. Herwig Lindner ist Präsident der Ärztekammer Steiermark. DEBATTE
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