AERZTE Steiermark | Februar 2018

12 ÆRZTE Steiermark  || 02|2018 SERIE Arzt im besonderen Dienst ßerdem war Wolfgang Pucher, zuvor Erzieher im Internat des St. Georgs-Kollegs, mittlerweile Pfarrer in Graz-St. Vinzenz geworden. Und so überredete Uranüs seine Eltern, ihn zu- mindest ein Jahr lang in Graz Medizin studieren zu lassen. In Etappen wurden Vater und Mutter immer wieder über- zeugt – bis zur Facharztausbil- dung. Inzwischen hatte Uranüs auch seine zukünftige Frau, ebenfalls Ärztin, kennengelernt und es war klar, dass das Paar vorerst in Graz bleiben würde. Einem Ruf, ärztlicher Leiter des Österreichischen Kran- kenhauses der Barmherzigen Schwestern in Istanbul zu wer- den, folgte er nach kurzem Überlegen doch nicht. „Das wäre das Ende meiner wissen- schaftlichen Karriere gewesen. Außerdem hätte meine Frau ih- ren Beruf nicht weiter ausüben können.“ Mittler zwischen den Welten Als Mittler zwischen den bei- den Welten und Sprachen, die Uranüs vertraut sind, ist er dennoch bis heute tätig: als Erasmus-Beauftragter der Uni- versität Istanbul sowie als ge- richtlich beeideter Dolmetsch – allerdings ausschließlich für medizinische Belange, bei- spielsweise zur Übersetzung komplexer Befunde. „Nach Beendigung meines Medizin- studiums wollte ich nicht so recht akzeptieren, dass mein Studentenleben nun zu Ende sein würde und habe noch Aus der ganzen Welt finden er- fahrene Chirurginnen und Chi- rurgen den Weg nach Graz, um sich hier fortbilden zu lassen: im Rahmen der beiden Praxis- Workshops, die Selman Ura- nüs ins Leben gerufen hat, zur Traumachirurgie und zur Akut- chirurgie. All das sei nur mit Unterstützung der Meduni und der Klinikleitung möglich ge- wesen, betont Uranüs beschei- den. Er leitet seit dem Jahr 1996 die Sektion für Chirurgische Forschung am Grazer Klini- kum. Ohne Prunkbau – seine Forschungseinheit residiert auf der ersten Tunnelebene unter der Klinik –, aber mit erst- klassiger Geräte-Ausstattung, die die Weiterentwicklung von Operationsmethoden erst er- möglicht. Dass Uranüs ausgerechnet in Graz Karriere macht und sich Chirurgen verschiedenster Län- der gerade hier weiterbilden, resultiert, so ungewöhnlich das klingen mag, letztlich aus seiner Vorliebe für Speiseeis. „Nach der Volksschule war es mei- nen Eltern wichtig, dass ich eine Schule mit Englisch oder Deutsch als Unterrichtssprache besuche, um auf hohemNiveau eine Fremdsprache zu erlernen“, erzählt Uranüs. Mehrere stan- den zur Wahl, der Zehnjährige ein Dolmetschstudium ange- schlossen“, erzählt er. Dabei ging es mitnichten darum, un- beschwert in den Tag hinein- zuleben. Uranüs hatte sein Me- dizinstudium in elf Semestern abgeschlossen und arbeitete neben dem Zweitstudium als Assistent auf der Pathologie. Im Vordergrund stand die Freude am Wissenserwerb und das Bedürfnis, sich noch intensiver mit Sprache zu beschäftigen. Denn Uranüs wählt auch im Alltag seine Worte mit viel Bedacht. Man könnte sagen, er setzt sie so behutsam und wohlüberlegt ein, als führe er das Skalpell. Auch bei seiner Tätigkeit als Chirurg bevorzugt er minimalinvasive Methoden und ist Vorreiter organerhal- tender Operationen im Falle von Milzverletzungen. Noch immer operiert Uranüs Banales wie Komplexes, be- treibt auch eine Privatpraxis, aber einen beachtlichen Teil seiner Arbeitszeit investiert er in die chirurgische Forschung. „Meist handelt es sich um in- terdisziplinäre Projekte in Zu- sammenarbeit mit mehreren Kliniken.“ Aktuelle Projekte beschäftigen sich mit Pankreas­ chirurgie, der Entwicklung ei- ner neuartigen Nervenprothese, innovativen Herzklappen und Verbesserungen in der Trans- plantationschirurgie. Selbst auf dem Gebiet der For- schung möchte er keinen Er- folg für sich allein verbuchen – er sieht sich stets als Teil des Teams. Zahlreiche angehende durfte sich selbst entscheiden. „Dass meine Wahl auf das St. Georgs-Kolleg gefallen ist, lag zu einem nicht unwesentlichen Teil daran, dass sich ganz in der Nähe eine italienische Kondito- rei befand, die ein exzellentes Eis angeboten hat.“ Klare Perspektive Ohne Deutsch-Vorkenntnisse absolvierte Uranüs an der ös- terreichischen Schule in Istan- bul zunächst ein intensives Jahr Deutschunterricht in lediglich vier Fächern. Dann startete das Gymnasium. Welchen Beruf er im Anschluss an die Matura er- greifen wollte, stand zu diesem Zeitpunkt längst fest. „Ich war schon als kleines Kind mit ei- ner improvisierten Arzttasche unterwegs, um den Menschen den Puls zu fühlen, Rezepte auszustellen und medizinische Ratschläge zu erteilen.“ Auch die ärztliche Fachrichtung hatte er längst gewählt. „Zwar war auch mein Vater Chirurg, er stand meiner Berufswahl aber ganz neutral gegenüber.“ Die Maturareise führte die Klasse nach Österreich – nach Wien, Salzburg, Klagenfurt und Graz. „Graz fand ich sofort sympathisch, weil es hier viel Grün gibt, aber auch wegen der überschaubaren Größe.“ Au- Behutsam mit Wort & Skalpell Selman Uranüs, Leiter der chirurgischen Forschung am Unikli- nikum Graz, verfügt auch über ein abgeschlossenes Dolmetsch- Studium. Er vermittelt zwischen Menschen – nicht nur über sprachliche Barrieren hinweg, sondern gibt leidenschaftlich gerne sein Wissen weiter. Foto: Furgler Uranüs beim OP-Workshop: „Praktische Übungen sind das Wich- tigste.“

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