AERZTE Steiermark | Februar 2018
ÆRZTE Steiermark || 02|2018 45 NIEDERGELASSENE ÄRZTINNEN UND ÄRZTE Fotos: Stelzl, Schiffer Der ganz normale Praxiswahnsinn PRAKTISCH TÄGLICH Von Ulrike Stelzl ZumWohle der Patienten Vor vielen Jahren, als ich im Krankenhaus auf einer Internen arbeiten durfte, ist mir folgende Geschichte widerfahren. Sie hat sich so in mein Hirn eingeprägt, als wäre das alles gestern passiert. Ich sitze im Stützpunkt und versuche aus hunderten von Zetteln klug zu werden und alles zu sortieren, dokumentieren und nichts zu verlieren. Typische ärztliche Arbeit also. Da läutet neben mir das Telefon. Am Apparat ist ein Pro- fessor von einer anderen Abteilung. Er hätte einen VIP- Patienten mit blutendem Ulcus auf seiner Station und müsste dringend meinen Stationsführer sprechen, wegen der PPI- Therapie. Wie aus der Pistole schieße ich hervor, wieviel Pantoprazol wir als Bolus geben und wieviel danach über soundsoviele Stunden in den Perfusor kommt. Am anderen Ende der Leitung ist es kurz ruhig. Dann ertönt eine schnei- dende Stimme: „Ich bin der Professor (Name lasse ich jetzt absichtlich aus) und Sie sind offenbar Assistenzärztin. Glau- ben Sie ernsthaft, dass ich mit Ihnen überhaupt rede?“ Naja, dann halt nicht. Jedenfalls konnte ich meinen Stationsführer erst fünf Stunden später auftreiben. Dieser sagte dann dem Professor das, was ich schon Stunden zuvor abgesondert hat- te und der Patient bekam seine Therapie. Gut, dass die Leute viel mehr aushalten als man glaubt. Er hat überlebt. Warum mir der sympathische Gott in Weiß jetzt einfällt? Er hat eine Privatpraxis, welche von einer meiner Patientinnen frequentiert wird. Die Dame bekommt von ihm neuerdings ein Medikament verschrieben, ein Spritzerl, das im Medi- kamentenverzeichnis mit einem Preis von zirka 2500 Euro pro Injektion zu finden ist. Blöderweise erfüllt die arme Frau trotz vieler Gebrechen nicht die IND-Vorgaben für eine Ver- schreibung. Deshalb versuche ich es mit einer chefärztlichen Genehmigung. Nach dem fünften Versuch gebe ich auf und erkläre ihr, dass ich die Hilfe vom ehrwürdigen Professor bräuchte. Einen Befund, eine Anordnung. Schriftlich. Mei- netwegen handschriftlich auf Klopapier. Bekommen habe ich nichts. Er lässt mir nur ausrichten: „Wenn sie das braucht, dann braucht sie das, und als Hausarzt habe ich gefälligst dafür zu sorgen, dass sie es auch bekommt, und nicht so deppert zu tun.“ Leider wird die Dame so nie zu ihrem Me- dikament kommen. Dr. Ulrike Stelzl ist niedergelassene Ärztin für Allgemeinmedizin. Mehr von ihr gibt es im Buch „Hallo Doc! 2 Anekdoten aus der Sprechstunde“ (erhältlich auf Amazon). Mammografie mit Ärzten Vor allem ist BIRADS 3 (nach Klassifikation „Breast Ima- ging Reporting and Data Sys- tem“), also ein wahrscheinlich gutartiger Tumor, der aber eine kurzfristige Kontrolle erfordert, aufgenommen. Die Zweitbefundung wird evaluiert, sie hat nur geringe Qualitätsverbesserungen ge- bracht. Das Mammografie- Zertifikat wird in Hinkunft unbefristet gelten. Die „Fall- sammlungsprüfung“ wird durch ein Intensivbefunder- Training ersetzt. Die Mindestzahl von Be- fundungen, die für die Be- teiligung notwendig ist (ur- sprünglich 3.000, dann 2.000) soll weiter – auf ein vernünf- tigeres Maß – gesenkt werden. Für Kurienobmann-Stellver- treter und Fachärzte-Sekti- onsobmann Peter Schmidt (er ist selbst Radiologe) sind die- se und weitere Änderungen „eine vernünftige und ange- messene Reaktion“ auf eine unbefriedigende Entwicklung und eine Anerkennung ärzt- licher Kompetenz: „‚Ohne Ärzte geht‘s nicht‘ – das ist mehr als ein Slogan, es ist die Realität, die nun wieder ak- zeptiert wird.“ Das Brustkrebs-Früherken- nungsprogramm mit zen- traler Steuerung, Zurück- drängung der Allgemeinme- dizinerInnen und Gynäkolog Innen und (allzu) strengen Auflagen für RadiologInnen hat trotz intensiver Bewer- bung vor allem eines gebracht: Eine empfindliche Senkung der Beteiligung – fast eine Halbierung. Nun ist es dem Radiologie- Verhandlungsteam gelungen, ein Umdenken zu erreichen. Die Regeln werden wieder einfacher, die ärztliche Kom- petenz gewinnt wieder an Bedeutung. Was heißt das konkret: Die Überweisung durch Vertrau- ensärztinnen und -ärzte (All- gemeinmedizin und Gynäko- logie), die bisher nur unter er- schwerten Bedingungen mög- lich war, rückt in den Mit- telpunkt. Vereinbart wurde auch eine Honorierung dieser Leistung auf Trägerebene im Rahmen der Gesamthonorar- vereinbarung für Allgemein- medizinerInnen und Gynäko- logInnen mit einem Richtwert von 3 Euro. Bei telefonischem Opt-In von Frauen ab dem 40. Lebens- jahr gibt es eine sofortige Freischaltung. Die bleibt auch über das 70. Lebensjahr hi- naus aufrecht. Die Indikationsliste wurde vereinfacht und ausgedehnt. Die Vorsorge-Mammografie wird umfassend saniert. Nach dem Misserfolg der zentralen Steuerung zählt nun wieder ärztliche Kompetenz. Fachärzte-Sektionsob- mann Peter Schmidt: Man hat nun erkannt, dass man auf die ärzt- liche Kompetenz nicht so leicht verzichten kann.
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