AERZTE Steiermark | Juni 2018
ÆRZTE Steiermark || 06|2018 11 COVER den Gebietskrankenkassen verbleiben. Über allem wird es weiter einen „Dachver- band“ geben, den bisherigen Hauptverband der Sozialver- sicherungsträger. Nicht be- troffen sind die immerhin 15 Krankenfürsorgeanstalten. Sie sind auch nicht im Haupt- verband organisiert. „Freiwil- lig“ könnten sie aber bei der Reform mitmachen, heißt es in einem Regierungspapier. Österreichweit gleiche Leistungen Es gibt zwei zentrale Argu- mente für die Veränderung: Das eine heißt „Leistungshar- monisierung“. Oder wie es So- zial- und Gesundheitsminis terin Beate Hartinger-Klein formulierte: „Österreichweit gleiche Leistungen für gleiche Beiträge“. Das ist (auch) eine seit Lan- gem erhobene Forderung der Ärztekammer. Die Kassen argumentieren, dass sie diese Leistungsharmonisierungen längst eingeleitet haben, „aber die letzten Punkte sind die schwierigsten“, so der stei- rische GKK-Obmann Josef Harb. Bei der Pressekonferenz der Regierungspartner legte sich ÖVP-Klubobmann August Wöginger jedenfalls darauf fest, dass die bisherigen Selbst- behalte bestehen bleiben und das Gleichheitsprinzip nur innerhalb eines Trägers gelte. Spannend ist, was das für die neue Unternehmerkasse aus SVA und SVB bedeuten wird. Bei Ersterer gibt es be- kanntlich Selbstbehalte von 20 Prozent, bei Zweiterer ei- nen pauschalen Behandlungs beitrag von knapp 10 Euro pro Quartal, auch wenn meh- rere Ärztinnen und Ärzte in Anspruch genommen werden. Der steirische Ärztekammer- präsident Herwig Lindner sagte zur Harmonisierung: „Dass Versicherte um gleiche Beiträge überall in Öster reich die gleichen Leistungen bekommen, ist eine Frage der Gerechtigkeit.“ Es dürfe dadurch aber zu keinen Leis tungsreduktionen kommen. „Die Gesundheitsleistungen müssen für alle gleich gut sein, nicht gleich schlecht.“ Alles andere wäre der Bevölkerung nicht erklärbar. Ähnlich auch die Argumenta- tion des Bundesobmanns der Bundeskurie Niedergelassene Ärzte, Johannes Steinhart: „Eine vernünftige Leistungs- harmonisierung kann nur zusätzliches Geld ins System bringen. Eine Nivellierung nach unten darf es hier nicht geben, das ginge auf Kosten der Versorgung und wäre Ärzten und Patienten nicht zumutbar.“ Sparziel kühn Und zusätzliches Geld soll die Reform tatsächlich bringen: konkret eine Milliarde Euro, wobei nicht ganz klar ist, in welchem Zeitraum. „Bis 2023“ hieß es in der Erklärung der Regierung, also nicht un- mittelbar. Die 500 Millionen, die bei der AUVA eingespart werden sollen, sind nicht Be- standteil der Milliarde. Das Ziel ist „kühn“ (Herwig Lind- ner). Die Krankenversiche- rungen geben ihre jährlichen Verwaltungskosten (2015) mit 459 Millionen Euro an (alle Sozialversicherungsträger: 1,176 Milliarden). Die von der WKO in Auftrag gege- bene c-alm-Studie schätzt die tatsächlichen Verwaltungs- kosten der Krankenversiche- rungen auf 689 Millionen (alle SV-Träger: 1,503 Milliar- den). Das Einsparungspoten- zial in der Verwaltung für das „5-Träger-Modell“ (das jetzt kommen soll) liegt laut Studie bei 16 Prozent (10 Prozent wären auch ohne Struktur- veränderungen möglich). Das wären für alle Krankenversi- cherungen 110 Millionen pro Jahr und für alle Sozialversi- cherungsträger 240 Millionen. Demnach würde es 4 oder gar 9 Jahre dauern, bis eine Ver- waltungsmilliarde eingespart werden könnte. Kritiker, und davon gibt es nicht wenige, sprechen von einer „Umfärbeaktion“, weil das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer- und Arbeit- gebervertretern in den Ent- scheidungsgremien verändert werden soll. Ingrid Reischl, Obfrau der Wiener Gebiets- krankenkasse und Vorsitzen- de der Trägerkonferenz im Hauptverband der Sozialver- sicherungsträger: „Die Ar- beitnehmerinnen und Arbeit- nehmer verlieren so massiv an Mitsprache.“ Was genau die Strukturver- änderung aber bringen soll, wird man erst im Herbst wissen, wenn die Gesetzesent- würfe vorliegen. Bisher gibt es nur eine Punktation, eine Art Willensbekundung – und das Regierungsprogramm. Die Regierung kündigte nun an, aus 21 Sozial versicherungsträgern vier bis fünf machen zu wollen – so wie es auch schon im Regierungs- programm steht. Wie die Eckpfeiler des Re- formvorhabens – Leis tungsharmonisierung und Senkung der Ver- waltungskosten – be- schaffen sein sollen, ist aber noch unklar. Die im Mai von der Bundes- regierung angekündigte SV- Reform durfte eigentlich nie- manden überraschen. Denn alles, was da als Neuigkeit präsentiert wurde, stand von Anfang an im Regierungspro- gramm – und das ist ja seit Monaten bekannt. Die neun Gebietskrankenkas- sen bekommen demnach eine „Österreichische Gesundheits- kasse“ (ÖGK) als Dachorga- nisation bzw. Holding. Kom- petenzen wandern von den selbstverwalteten Landes kassen zu dieser ÖGK. Die Sozialversicherungsan- stalt der Bauern (SVB) und die Sozialversicherungsan- stalt der gewerblichen Wirt- schaft (SVA) vereinigen sich zu einer Unternehmerkran- kenkasse. Die Versicherungs- anstalt der Eisenbahner wird in die Beamtenversicherung eingegliedert. Die Pensions- versicherungsanstalt bleibt bestehen, für die AUVA gibt es noch einen Aufschub – wenn sie das vorgegebene Einsparungsziel von rund 500 Millionen erreicht, wird es sie weiter geben. Das macht summa summarum vier bis fünf Organisationen. Wobei allerdings noch nicht klar ist, wie viele Kompetenzen bei Harmonisierung, aber keine Harmonie „Dass Versicherte um gleiche Beiträge überall in Österreich die gleichen Leistungen bekommen, ist eine Frage der Gerechtigkeit.“ Herwig Lindner
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