AERZTE Steiermark | Juni 2018

ÆRZTE Steiermark  || 06|2018 7 Fotos: Oliver Wolf, Elke Meister, Harry Schiffer, www.mediendienst.com/Wike, Grafik: Konrad Lindner Gegen das, was mit der „Kassenstrukturreform“ versprochen wird, kann niemand sein: eine Leis­ tungsharmonisierung, bei der es keine Verlierer gibt, eine Milliarde Gewinn durch effizientere Abläufe, die in Leistungen gehen soll, mehr Zeit für Patientinnen und Patienten durch einen ge- ringeren Verwaltungsaufwand. Nur muss das alles erst Realität werden. In Sa- chen Leistungsharmonisierung sind die Aussagen bisher sehr vorsichtig, wenn genauer nachgefragt wird. Sie betreffen nur die einzelnen Träger, also etwa die bisherigen Gebietskrankenkassen, wenn die zu einer Österreichischen Gesundheitskasse zusammenwachsen. Unterschiede zwischen Leis- tungen für Selbstständige und und Unselbststän- dige dürfen demnach bleiben. Die „Milliarde“, von der die Rede ist, kommt zu- stande, weil einigermaßen optimistisch mehrere Jahre zusammengerechnet werden. „Bis 2023“ lautet da die Formulierung. Dass die Abrechnung mit weniger Kassen Ärz- tinnen und Ärzten bzw. der Ordinationsassistenz viel Zeit erspart, stimmt leider nicht mehr, seit es die e-card gibt. Und schon bisher hat niemand mit neun GKKs abgerechnet, sondern immer nur mit der im eigenen Land. Bei aller Euphorie für die Reformziele sind die konkreten Auswirkungen also sehr genau zu hin- terfragen. Wie sind sie wirklich, wie bedeutend sind sie, was ist nur Rhetorik …? Und so manches lässt sich weiter nur regional lösen, wenn die Versorgung gut bleiben soll. Wo soll eine Arztstelle wirklich sein, welche lokalen Bedürfnisse gibt es? Ja, es gibt natürlich ein Zuviel an Regionalismus, es gibt aber auch zu viel Zentralismus. Letztend- lich muss es ein ausgewogenes Verhältnis sein, damit die Gesundheitsversorgung funktioniert. Vizepräsident Dr. Norbert Meindl ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte. EXTRA Norbert Meindl Ja zu behutsamer Strukturreform STANDORTBESTIMMUNG Herwig Lindner Reformen brauchen die ganze Wahrheit Ein Standardkrankenhaus in Stainach-Pürgg statt dreier (kleine- rer) Krankenhäuser? Dafür gibt es gute medizinische Argumente. Eine Strukturbereinigung bei den Krankenkassen mit gleichen Leistungen für gleiche Beiträge? Auch dafür gibt es überzeugende Gründe. Die Verantwortlichen der steirischen Landesregierung und der Bundesregierung haben sie Ende Mai geliefert. Allerdings in einer Form, die nicht nur faktenbasiert war. Und die Gesund- heitspolitik braucht Fakten, weil hier langfristig gültige Entschei- dungen getroffen werden. Nehmen wir Liezen. Dass nun eine Standortentschei- dung getroffen wurde, ist gut, weil die Unsicherheit für Ärztinnen und Ärzte sowie alle anderen Mitarbei- terinnen und Mitarbeiter beendet wurde. Sie können sich auf eine vorgezeichnete Zukunft einstellen. Und sie können sich hoffentlich auf das Versprechen verlas- sen, dass sich niemand um seinen Job fürchten muss. Aber es ist dazuzusagen, dass es laut Planung markante Einschnitte geben wird. 130 stationäre Betten weniger, fast 30 Pro- zent, das ist viel. Die gleichzeitige Reduktion bei den allgemeinme- dizinischen und die Stagnation bei den fachärztlichen Kassenstel- len verschärft das Problem noch. Gesundheits- und Facharztzen- tren ändern daran nichts. Natürlich ist ein Bevölkerungsrückgang prognostiziert, nur ist der in den nächsten Jahrzehnten bei weitem nicht so groß wie die Reduktion der medizinischen Kapazitäten. Gar nicht berücksichtigt ist, dass der Bevölkerungsanteil der Äl- teren und Alten steigen wird. Ähnlich ist es bei der Kassenreform. Da soll eine Milliarde Euro durch Verwaltungsreduktionen hereinkommen, die zur Stärkung der ärztlichen Versorgung dienen soll. Nur dass diese Milliarde bestenfalls über mehrere Jahre zusammenkommt und es nicht klar ist, ab wann die „Effizienzsteigerungen“ eventuell zu greifen beginnen – da schmilzt die Milliarde rasch dahin, vor allem wenn Leistungsharmonisierung nicht Leistungsreduktion bedeuten soll. Ärztinnen und Ärzte können rechnen. Sie verfallen nicht so leicht in Euphorie, weil man ihnen ein paar Schlagworte hinwirft. Das gilt übrigens auch für die Patientinnen und Patienten. Ihnen nur angenehme Botschaften hinzuwerfen, auch wenn es unangenehme Wahrheiten gibt, ist nicht redlich. Und rächt sich, wenn die Men- schen den Behauptungen auf den Grund gehen. Und das tun sie. Vielleicht nicht sofort, aber sicherlich bald. Dr. Herwig Lindner ist Präsident der Ärztekammer Steiermark. DEBATTE

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