AERZTE Steiermark | Juli/August 2018

ÆRZTE Steiermark  || 07/08 |2018 7 Fotos: Oliver Wolf, Elke Meister, Harry Schiffer, Grafik: Konrad Lindner Die steirischen Kassenvertragsverhandlungen zwischen GKK und Ärztekammer haben einen wichtigen Durchbruch gebracht. Eine signifi- kante Aufwertung der Allgemeinmedizin, der Kinder- und Jugendheilkunde und insgesamt der sprechenden Medizin ist durch die Aufwertung der Ordination gelungen. Eines der am wenigsten verstandenen Limite wurde abgeschafft, weitere wurden deutlich gelockert. Dazu kommen Begleitmaßnahmen, die für Kas- senvertragsärztinnen und -ärzte – vor allem auch künftige – von großer Bedeutung sind. Wir starten mit Jobsharing-Planstellen, der Bereit- schaftsdienst wird ab dem zweiten Quartal 2019 freiwillig und bleibt es auch, wenn die neue Orga- nisation sich als erfolgreich erweist. Mit dieser Attraktivierung der Kassenmedizin verbinden sich große Hoffnungen: Kassenstel- len sollen wieder leichter besetzbar werden, die Versorgung der steirischen Bevölkerung bleibt für die Zukunft gesichert. Das sehen alle so, bis hinauf ins Gesundheitsministerium. Die Summe, die zusätzlich dafür aufgewendet wird, rund 16 Millionen Euro, ist nicht gering, innerhalb der Gesamtausgaben der steirischen GKK aber dennoch eine Kleinigkeit. Spekula- tionen, dass der steirische Vertrag wegen der gesetzlich verordneten Ausgabenbremse vom Hauptverband nicht genehmigt wird, gibt es aber trotzdem. Im Ausgabenbremsen-Konflikt sind die stei- rischen Patientinnen und Patienten und die steirischen Ärztinnen und Ärzte damit zu poli- tischen Geiseln geworden. Dieses Spiel mit der medizinischen Versorgung muss rasch beendet werden. Es soll und darf die Unsicherheit nicht bis in den Herbst hinein dauern. Eine eindeutige politische Klarstellung, dass dieser steirische Vertrag gut und notwendig ist, muss jetzt rasch stattfinden. Vizepräsident Dr. Norbert Meindl ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte. EXTRA Norbert Meindl Keine Geiseln der politischen Debatte STANDORTBESTIMMUNG Herwig Lindner Die digitale Zukunft ärztlich gestalten Das angesichts der vielen negativen Meldungen zu sagen, klingt in manchen Ohren vielleicht paradox, aber es ist die schlichte Wahr- heit: Wir können stolz sein auf unser österreichisches Gesund- heitssystem. Den Test kann man ganz einfach machen: Wenn im Urlaub ärzt- liche Hilfe benötigt wird, will man dann lieber dort medizinisch versorgt werden, oder würde man nicht viel lieber möglichst rasch nach Österreich zurück? Es wird kaum jemanden geben, der glaubt, in Italien, Kroatien, Griechenland, der Türkei, Spanien, Portugal oder anderen Urlaubsdestinationen besser versorgt zu sein als in Österreich. Wer nicht den eigenen Gefühlen vertraut, kann auch die EU-Statistik bemühen: Laut der ist Österreich das Land in Europa, in dem der Bedarf nach medizinischer Hilfe am besten erfüllt wird. Nur in den Niederlanden wird die Erreichbarkeit medizinischer Hilfe ähnlich positiv gesehen. Die hochgelobten skandinavischen Länder landen alle deutlich hinter Österreich, obwohl vor allem deren öffentliche Gesundheitsausgaben deutlich über den österrei- chischen liegen. Heißt das, wir müssen nichts ändern, um besser zu werden? Nein, natürlich nicht. Aber wir müssen es behutsam tun, weil dabei Gutes sehr leicht zerstört werden kann. Was auf uns zukommt, ist eine digitale Revolution, deren Ende selbst für ausgewiesene Expertinnen und Experten noch nicht absehbar ist. Aber genau deswegen müssen wir die Rahmenbedingungen gestalten, unter denen „Künstliche Intelligenz“ und „Big Data“ in der Gesundheits- versorgung zum Einsatz kommen dürfen. Internationale Großunternehmen und kleine Start-ups haben vor allem eines im Sinn: durch die digitale Revolution möglichst viel zu verdienen. Das ist ihr gutes Recht. Das ist aber auch ein Grund, warum die Gesundheitspolitik und Gesundheitsplanung bei allzu rosigen Versprechen immer skeptisch bleiben sollte. Ohne die ärztliche Kontrolle und Qualitätssicherung können diese digitalen Systeme zu Monstern werden, die völlig aus dem Ruder laufen. Wenn das einmal passiert ist, wird es zu spät sein. Dann wird es nämlich keine Ärztinnen und Ärzte sowie andere verantwortungsvolle Gesundheitsberufe mehr geben, die hier noch eingreifen können. Die Zeit, das zu verhindern, ist jetzt. Mit poli- tischer Unterstützung wird es auch gelingen. Dr. Herwig Lindner ist Präsident der Ärztekammer Steiermark. DEBATTE

RkJQdWJsaXNoZXIy NDYwNjU=