AERZTE Steiermark | Juli/August 2018

COVER 8 ÆRZTE Steiermark  || 07/08 | 2018 Arzt und Maschine eingeräumt, dass Deutsch- land aufgrund der Auslosung schlechtere Chancen als an- dere Teams hat, erfolgreich aus der Gruppenphase her- vorzugehen. Und sagten den Aufstieg von 14 Teams richtig voraus – bei 16 Teams, die in die K.o.-Phase kamen, eine statistisch durchaus beein- druckende Erfolgsquote von 87,5 Prozent. Deutschland und Polen, deren Weiterkommen entgegen dem Turnierverlauf aber auch vorhergesagt wurde, wird die Statistik jedoch kaum trösten. Genauso wenig wie einen Patienten, wenn ihm ein virtuelles System eine Diagno- se oder einen Behandlungs- vorschlag liefert, der zwar in vielen Fällen richtig, aber in seinem falsch ist. MARTIN NOVAK Deutschland hat die größten Chancen, die Fußballweltmeis­ terschaft 2018 zu gewinnen. Was nach dem frühen Aus- scheiden des deutschen Teams eher absurd klingt, ist eine streng wissenschaftliche Aus- sage. Auf Grundlage umfang- reicher wirtschaftlicher und sportspezifischer Daten kamen Statistiker bzw. Mathematiker zu diesem Ergebnis. Damit wird das ganze Dilemma Big Data-getriebener wissenschaft- licher Prognostik erkennbar. Auf den ersten Blick ist die Vor- hersage grob falsch – Big Data funktioniert nicht. Auf den zweiten Blick haben die Auto- ren nur die Wahrscheinlich- keit berechnet und gleichzeitig Natürlich kann sich auch ein Mensch im Einzelfall irren, aber mit dem kann man ver- handeln, man kann Fragen stellen und seinem Unbeha- gen Ausdruck verleihen. Der irrenden Maschine fühlt man sich als Patient aber ausgelie- fert. Es gibt keine Diskussion mit einem Algorithmus. Dieser Algorithmus bzw. die- jenigen, die hinter ihm stehen, haben aber starke Argumente auf ihrer Seite: Die Zahl der Berichte über die hohe maschinelle Diagnose- und Behandlungsqualität bei un- terschiedlichen Krankheits- bildern häuft sich, der Sieg von „Big Data“ und „Deep Learning“ scheint unaufhalt- sam. Zwar gibt es nicht nur Erfolgsgeschichten, sondern auch Berichte über das glori- ose Scheitern „unmenschli- cher“ Medizin. Nur sind die geschäftsschädigend – und werden von den Proponenten künstlicher Intelligenz (nicht nur) im Medizinbereich eher diskret behandelt. Big Business Und es sind große Geschäfte, die zu schädigen wären. Ganz grundsätzlich kann künst- liche Intelligenz (KI) das jähr- liche Wirtschaftswachstum in einigen Ländern, zu denen auch Österreich gehört, ver- doppeln – so eine Prognose des Strategieberatungsunter- nehmens Accenture. Im Me- dizinbereich wird KI, das geht ebenfalls aus einer Accen- ture-Prognose hervor, schon 2026 zu jährlichen Einspa- rungen von 150 Milliarden Euro führen. Die jährliche Wachstumsrate des KI-Start­ up-Gesundheitsmarkts be- trägt von 2014 bis 2021 40 Prozent. Das bedeutet eine Verelffachung von rund 500 Millionen auf 5,65 Milliarden Euro. Die größten Brocken sind robotergestützte Opera- tionen, virtuelle Pflegeassis­ tenz und die Unterstützung des administrativen Work- flows. Dahinter kommen aber schon Betrugserkennung, die Erkennung von Dosierungs- fehlern und – Diagnostik. Häme über gelegentliches Ver- sagen künstlicher Intelligenz ist aber genauso wenig an- gebracht, wie deren Erfolg nur auf den wirtschaftlichen Hype zurückzuführen, den KI ausgelöst hat. „Künstliche Intelligenz erlebt gerade ih- ren Kitty-Hawk-Moment“, schreibt der Wissenschafts- journalist Thomas Ramge (Brand eins, Economist) in seinem kürzlich erschienenen Buch „Mensch und Maschine“. Kitty-Hawk-Moment – das ist der Augenblick, in dem die Brüder Wright erstmals mit einem Motorf lugzeug vom Boden abhoben und langjäh- rige Misserfolge vieler Vor- gänger hinter bzw. unter sich Werden Maschinen und Algorithmen die Tätigkeit von Ärztinnen und Ärzten übernehmen können? Die Angst ist da, auch wenn verlässliche Prognosen derzeit kaum möglich sind. Jedenfalls sind „Künstliche Intelli- genz“ und „Big Data“ den Kinderschuhen entwachsen. Es wird also Zeit, sie in die richtigen Bahnen zu lenken. „Gut, eines ist sicher … Ärzte werden niemals durch Roboter ersetzt.“

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