AERZTE Steiermark | Juli/August 2018

ÆRZTE Steiermark  || 07/08 |2018 9 mistische und düstere. Tho- mas Ramge warnt allerdings davor, ihnen allzu viel Glau- ben zu schenken: „Wir kön- nen schlicht nicht abschätzen, wie gut die nächsten Genera- tionen von KI-Systemen wel- che Aufgaben übernehmen und mit welcher Dynamik sie sich ausbreiten.“ Vielleicht, so könnte man et- was zynisch anmerken, ist die „Künstliche Intelligenz“ noch nicht so weit, um verläss- liche Prognosen zu liefern – die „natürliche“, menschliche schafft es jedenfalls nicht. Dass „Deep Learning“ (Ma- schinen bekommen die Re- geln einprogrammiert und lernen dann auf Grundlage eigener oder fremder Erfah- rungen mehr oder minder eigenständig) und „Big Data“ (Maschinen grasen alle ver- fügbaren Datenbanken ab und entscheiden dann auf Ba- sis statistischer Wahrschein- lichkeiten) eine Vielzahl ethischer Fragen aufwerfen, ist aber jedenfalls gewiss. Es wäre schön, wenn die schlich- ten Robotergesetze aus der 1942 veröffentlichten Kurz- geschichte „Runaround“ des berühmten Science-Fiction- Autors Isaac Asimov ausrei- chen würden: 1. Ein Roboter ließen. So wie dieses Flugzeug namens Kitty Hawk abhob, hebt auch die „Künstliche Intelligenz“ ab. „Bei aller nö- tigen Vorsicht lässt sich heute sagen: In den letzten Jahren hat die Künstliche Intelligenz- Forschung Nüsse geknackt, an denen sie sich seit Jahr- zehnten die Zähne ausgebis- sen hat“, schreibt Ramge, „mit Künstlicher Intelligenz tref- fen jetzt Maschinen komplexe Entscheidungen, die bisher nur Menschen treffen konn- ten“ und entscheiden „bes- ser, schneller und billiger als LKW-Fahrer, Sachbearbeiter, Verkäufer, Ärzte, Investment- banker oder Personal-Ma- nager“. Besonders rasant, so Ramge, wachse das Angebot künstlicher Rechtsberatung, weil die Juristerei sich mit ihren präzise formulierten Regeln und der formalisierten Sprache besonders gut für Au- tomatisierung mithilfe künst- licher Intelligenz eigne. Hilfe oder Ersatz? Die spannende oder auch bedrängende Frage ist, ob KI-Systeme Expertinnen und Experten ersetzen oder ih- nen ein „augmented decisi- on making“ erlauben – die menschliche Entscheidung also verbessern. Dazu gibt es zahlreiche Prognosen, opti- COVER darf kein menschliches We- sen (wissentlich) verletzen oder durch Untätigkeit (wis- sentlich) zulassen, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird. 2. Ein Roboter muss den ihm von einem Menschen gegebenen Befeh- len gehorchen – es sei denn, ein solcher Befehl würde mit Regel eins kollidieren. 3. Ein Roboter muss seine Existenz beschützen, solange dieser Schutz nicht mit Regel eins oder zwei kollidiert. Die Philosophin Janina Loh, die sich mit Roboterethik befasst, beschreibt anhand eines anschaulichen Beispiels aus dem Bereich des auto- nomen Fahrens, wie schnell Konflikte entstehen können: „Stellen wir uns einige Kinder vor, die unerwartet auf die Straße und direkt vor ein autonomes Auto springen. Das autonome Fahrassistenz- system berechnet nun, dass es nicht mehr rechtzeitig wird bremsen können. Es könnte hingegen sowohl in den Ge- genverkehr lenken als auch in die andere Richtung, in der sich hinter einem Brücken- geländer ein Abhang auftut. Während das Auto im Rah- men der ersten Option (die Spur halten und bremsen) mit hoher Wahrscheinlichkeit die Kinder überfahren oder sie schwer verletzen würde, ver- löre im Rahmen der zweiten und dritten Option (Gegen- verkehr und Abhang) min- destens der/die FahrerIn das Leben. Szenarien dieser Art thematisieren eine Entschei- dung von großer moralischer Relevanz, für die es keine eindeutige, keine korrekte, Antwort bzw. Lösung gibt.“ Wenn es also keine ideale, son- dern nur die bestmögliche Ent- scheidung gibt, wäre es wichtig, die Entscheidungsgrundlagen zu kennen: Zählt das Leben von Kindern mehr als das von Erwachsenen? Geht es (in der Medizin) nur darum, Leben zu retten oder auch darum, Leiden zu mildern oder Kosten zu sparen? Und wie sind diese Grundlagen gewichtet? „Wenn die Maschine eine bestimmte Chemotherapie bei einem be- stimmten Patienten empfiehlt, darf sie ihren Ratschlag nicht einfach ausspucken wie ein allwissendes Orakel. Sie muss dem behandelnden Arzt ge- genüber begründen, wie es zu diesem Ergebnis als bester Lö- sung des Problems gekommen ist“, meint Ramge. Allerdings sei auch das nicht so einfach: „Die Maschine weiß mehr, als sie dem Menschen erklären kann.“ Illus: Fotolia

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