AERZTE Steiermark | September 2018

14 ÆRZTE Steiermark  || 09 | 2018 SERIE Arzt im besonderen Dienst Nach weniger als einem Jahr- zehnt als Arzt schlitterte er in ein Burnout. Kraftquelle Malen Gungls Krise fiel zeitlich mit der beruflichen Zusatzquali- fizierung seiner Frau zusam- men, die sich gerade in der Diplomausbildung für Psycho- therapeutische Medizin be- fand. An ihr konnte er Verän- derungen beobachten, die ihn als Partner herausforderten und faszinierten. Daraufhin absolvierte er selbst die beiden ÖÄK-Diplome in psychoso- zialer und psychosomatischer Medizin, die auch ihm je- nes Maß an Selbsterfahrung schenkten, das ihm in dieser Situation Hilfe und Stabilität bot. Er gab seinem Leben darauf hin bewusst wieder mehr Vielfalt und wandte sich verstärkt seinen sozialen Be- ziehungen und außermedizi- nischen Interessen zu – allem voran dem Malen. Als das Ehepaar Mitte der 90er- Jahre sein Haus renovierte, richtete Gungl sich darin ein kleines Atelier ein. Zweimal im Jahr zieht er sich außerdem U. JUNGMEIER-SCHOLZ „In meiner Arbeit begegne ich neben dem Wunder des Lebens auch immer wieder seinem Schrecken“, erzählt der Allgemeinmediziner Peter Gungl. „Da ist die Versuchung groß, sich einen Schutzpanzer zuzulegen.“ Gungl aber will offen bleiben, nicht verkrus­ ten, keinen Panzer brauchen. Daher wendet er sich in seiner Freizeit ganz bewusst dem Schönen zu – in der Natur und in der Kunst. Gemalt hat der heuer im Mai 60 Jahre alt Gewordene schon zu Schulzeiten gerne. Sein Lehrer Luis Sammer, der neben der eigenen künstle- rischen Tätigkeit 35 Jahre lang am Bischöflichen Gymnasi- um Bildnerische Erziehung unterrichtet hat, war – und ist – nicht nur in bildnerischer Hinsicht Gungls Mentor. „Er konnte mir die Freude am Schöpferischen vermitteln.“ Auf eine sehr geerdete Art: „Er hat uns gesagt, es kön- ne vorkommen, dass wir uns an einem Tag beim Malen vorkämen wie der liebe Gott – um am nächsten Tag zu se- hen, dass das Bild der größte Mist sei. Aber diesen Prozess müssten wir aushalten.“ Gungl kennt diesen Balanceakt – so- wohl fast spirituelle Erlebnisse im Flow des Malens als auch die Ernüchterung nach dem kritischen zweiten Blick. „Luis Sammer ist einer der wich- tigsten Menschen meines Le- bens“, betont er. schon seit ein paar Jahren regelmäßig mit Freunden auf den Demmerkogel in die Ein- schicht zurück, um in dieser ganz besonderen Atmosphäre unter den speziellen Licht- verhältnissen zu malen. Mit von der (Alm-)Partie ist Peter Mairinger, der in Graz gebo- rene Maler, der mittlerweile in Salzburg ein Atelier betreibt. „Wir sind uns vom Naturell her sehr nahe“, erklärt Gungl, der selbst Mitbegründer der Kirchberger Künstlergruppe „Kunst.los“ ist. Ansonsten malt Gungl auch gerne ganz für sich, was er mit den Worten „ohne krampf- haftes Wollen etwas von sich auf die Leinwand geben“ um- schreibt. Dieses „Tun ohne Wollen“, die taoistische Ein- stellung zur Kunst, entspricht seinen künstlerischen Intenti- onen. „So ist wohl auch mein Interesse am Zen entstanden.“ Wabi sabi Gungl, der immer schon dem abstrakten Expressionismus zugeneigt war, fand seinen prägenden Zugang zur asia- tischen Kunst beim Erleben ei- Familienfreundliche Entscheidung Seinen wirklichen Lebens- menschen hat Gungl in sei- ner Frau Christiana gefunden, schon während des Medizin- studiums, das die beiden par- allel absolvierten. Im letzten Turnusjahr kam Sohn Daniel zur Welt – zwei Jahre später Tochter Anna – und das Ehe- paar machte sich intensive Gedanken über eine fami- lienfreundliche gemeinsame ärztliche Zukunft. „Eigentlich hätte mich die Chi- rurgie gereizt – und ich mache auch heute noch im Rahmen meiner Ordination gerne klei- ne OPs“, erzählt Gungl. „Aber im Turnus ist mir klar gewor- den, wie familienfeindlich die Arbeitsbedingungen im Spital waren. Da haben wir beschlos- sen, beide als Hausärzte aufs Land zu gehen.“ In der Oststei- ermark, wo das Paar seit 1987 in Kirchberg an der Raab seine Praxis betreibt, ist es aufgrund verwandtschaftlicher Bin- dungen gelandet. Christiana stammt aus dem Nachbarort und auch Peter Gungl, der in Graz aufgewachsen ist, verfügt zumindest über oststeirische Wurzeln. „Wir hatten es uns allerdings romantischer vor- gestellt als es letztlich war“, bekennt der immer noch be- geisterte Allgemeinmediziner. Im Idealismus und Enthusi- asmus, mit denen er an seine Arbeit herangegangen war, lag letztlich der Keim zu einer vorübergehenden schweren Erschöpfung und Frustration: Malen wider den Panzer Der südoststeirische Allgemeinmediziner Peter Gungl findet über das Malen einen Weg, trotz belastender Erlebnisse als Arzt offen und sensibel zu bleiben. Dabei folgt er einem taoistischen Kunstverständnis. „In meiner Arbeit begegne ich neben dem Wunder des Lebens auch immer wieder seinem Schrecken.“ Peter Gungl

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