AERZTE Steiermark | November 2018

prävention 30 Ærzte Steiermark  || 11 | 2018 Warum sich Gesundheitsfachkräfte Personalkategorien innerhalb des Krankenhaussystems so- wie von außerhalb können verschiedene Vorkämpfer re- krutiert werden, um als Bot- schafter für die Impfung zu fungieren. Domegan zufolge erzielt ein wechselseitiger anstelle eines moralischen Fokus eine sub- tilere Wirkung: „Sozialmarke- ting ist abhängig von einer frei- willigen Verhaltensänderung. Als wir mit verschiedenen Interessengruppen sprachen, war häufig zu hören: als Arzt oder Pflegekraft solltest du dich gegen die Grippe impfen lassen, es ist Teil deines Jobs und es dient dem Wohl deiner Patienten‘. Das ist eine starke moralische Haltung und einige Menschen teilen diese Ansicht. Doch es gab auch eine Kohor- te, die sich unter diesen Be- dingungen nicht vorschreiben lassen wollte, wie sie sich zu verhalten habe.“ Domegan zufolge reagierten bestimmte Menschen, die Ein- wände gegen die moralischen Argumente hatten, besser auf Argumente, die den wechselsei- tigen Nutzen der Impfung für ihre Familien und ihr eigenes Immunsystem in den Mittel- punkt rückten. Zudem zeigte das Projekt, wie wichtig es ist, den Ansatz je- weils auf den Kontext der Sta- tion oder Abteilung sowie auf die Größe der Einrichtung zu- zuschneiden. Vor diesem Hin- tergrund wurden jeweils die Mechanismen angewandt, die 2016 schlossen sich eine Exper- tin aus dem Bereich des Sozial- marketings und eine Gesund- heitsexpertin zusammen, um ein Problem anzugehen, dem sich die Gesundheitsbehör- den in Irland gegenübersahen. Wie in vielen anderen Ländern in der Europäischen Region verzeichnete Irland sehr ge- ringe Grippe-Impfraten unter Gesundheitsfachkräften sowie jährliche Grippeausbrüche in Gesundheitseinrichtungen. Dr. Christine Domegan, Do- zentin an der National Uni- versity of Ireland in Galway, brachte ihre Marketing-Kennt- nisse ein, während Dr. Aine McNamara, Beraterin im Be- reich öffentliche Gesundheit bei der Health Service Execu- tive für den Westen Irlands, Fachkenntnisse aus dem Be- reich der öffentlichen Gesund- heit beisteuerte. Ihre Aufgabe war es, eine Inter- vention auszuarbeiten, um die Impfraten unter Gesundheits- fachkräften im Einklang mit den strategischen Prioritäten der staatlichen Initiative Heal- thy Ireland sowie nationalen und WHO-Impfstoffempfeh- lungen zu erhöhen. Die Ergebnisse sprechen für sich: Im ersten Jahr waren die Impfraten durchschnittlich auf 15 Prozent gesunken; innerhalb von zwei Jahren haben sie sich auf mehr als 37 Prozent ver- doppelt. WHO-Ansatz Ausgangspunkt des Projekts war der TIP-FLU-Ansatz der WHO, eine auf die saisonale Grippe ausgerichtete Version des Ansatzes zur zielgenauen Ausrichtung von Impfpro- grammen, der im Jahr 2013 erstmals angewandt wurde. Bei der zielgenauen Ausrichtung von Impfprogrammen werden soziale und verhaltensbezo- gene Erkenntnisse verwendet, um Hindernisse und Anstöße für eine Impfung zu identi- fizieren. Diese Erkenntnisse werden dann um „Systemden- ken“ und Ursache-Wirkungs- Diagramme ergänzt, um viel- schichtige Lösungen zur Er- höhung der Impfakzeptanz zu entwickeln. Das Projekt begann mit einer Prüfung der Literatur und einer Erhebung zu Haltungen, auch unter aktiven Impfgegnern. Die zweite Phase umfasste die Untersuchung von Ursachen, Wirkungen und der Dynamik von Auffassungen zur Impfung. Zur Veranschaulichung die- ser Wechselwirkungen erstellte das Team ein Diagramm zum System der Grippeimpfung, in dem verschiedene Ursa- chen berücksichtigt wurden. In der Endphase wurden Inter- views mit maßgeblichen Inte- ressengruppen durchgeführt, in deren Rahmen Lösungen und Ansatzpunkte identifiziert wurden. Nachhaltige Verhaltensänderung Die Studie identifizierte sieben evidenzbasierte Ansatzpunkte, die gezielt auf miteinander verknüpfte Hindernisse ausge- richtet sind: y Impfung durch Kollegen; y Vorkämpfer für die Gripp- eimpfung; y ein wechselseitiger (statt eines moralischen) Fokus; y Stations- bzw. Abteilungs- kontext; y Impfkompetenz; y Krankenhausgröße; und y Darstellung der Grippe. Die Impfkräfte sind Pflege- kräfte, die den Impfstoff ihren Kollegen am Arbeitsplatz ver- abreichen. „Sie erleichtern den Zugang, sind jedoch auch als Informations- und Kommu- nikationskanäle von Bedeu- tung“, erklärte Dr. Domegan. „Sie verfügen über die ent- sprechende Ausbildung, bauen Vertrauen auf und beantworten Fragen.“ Darüber hinaus können die Impfkräfte als Vorkämpfer für die Grippeimpfung die- nen, doch auch aus anderen Das Problem ist auch hierzulande leider nur zu bekannt: Auch Menschen die im Ge- sundheitswesen arbeiten lassen sich oft nicht impfen. Ein Projekt in Irland ging dem Problem auf den Grund und entwickelte Maßnahmen. Mit bemerkenswertem Erfolg: Die Grippe-Impfbeteiligung konnte mehr als verdoppelt werden. „Bestimmte Menschen, die Einwände gegen die moralischen Argumente hatten, reagierten besser auf Argumente, die den wechselseitigen Nutzen der Impfung für ihre Familien und ihr eigenes Immunsystem in den Mittelpunkt rückten.“

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