AERZTE Steiermark | Dezember 2018

DEBATTE 18 ÆRZTE Steiermark  || 12 | 2018 den Kosten für den ärztlichen Dienst verfahren werden soll. Dr. med. Annic Weyersberg vom „Cologne Center for Ethics, Rights, Economics, and Social Sciences of Health“ der Universität zu Köln nann- te Argumente, weshalb die Kinderheilkunde ebenfalls außerhalb des DRG-Systems vergütet werden müsse. „Kin- der brauchen mehr Ressour- cen und mehr Zeit“, sagte sie. Deshalb seien die Per- sonalkosten höher als in an- deren Fachrichtungen. Weil es ein überdurchschnittlich großes Leistungsspektrum gebe, seien zudem die Vor- haltekosten sehr hoch. „Das hat dazu geführt, dass viele Abteilungen schließen muss- ten: jede fünfte Kinderklinik seit 1991“, so Weyersberg. „Im Gegensatz dazu sind die Fall- FALK OSTERLOH „Der ärztliche Berufsstand darf nicht durch pure Öko- nomisierung zerschlagen werden. Sonst wird aus dem Traumberuf Arzt ein Alb- traumberuf.“ Das sagte der frühere Präsident der [deut- schen] Bundesärztekammer (BÄK), Prof. Dr. med. Jörg- Dietrich Hoppe, zu Beginn des 105. Deutschen Ärzte- tags in Rostock im Jahr 2002. Heute, 16 Jahre später, ist die Ökonomisierung des Arzt- berufes noch deutlich weiter vorangeschritten. Auf einer Tagung der BÄK machten Experten eine Be- standsaufnahme – und suchten nach Lösungsan- sätzen. Zunächst betonte BÄK-Präsident Prof. Dr. med. Frank Ulrich Montgomery jedoch den Unterschied zwi- schen Ökonomie und Kom- merzialisierung. „Wir Ärzte sind der Ökonomie verpflich- tet“, erklärte er zu Beginn der Tagung „BÄK im Dialog – Patientenversorgung unter Druck“ am 16. November in Berlin. „Ein sparsames, wirtschaftliches Verhalten ist ein Grundprinzip, das auch Ärzten abverlangt wer- den kann. Denn nichts ist unsolidarischer, als mit dem Geld der Versicherten ver- schwenderisch umzugehen.“ Ökonomisches Handeln habe im Gesundheitswesen inso- fern seine Berechtigung. Die Ökonomie müsse aber den Zielen der Medizin dienen und nicht umgekehrt. Un- ter Druck gerieten die Ärzte hingegen durch eine zuneh- mende Kommerzialisierung des Systems. Als Grundübel dieser Entwicklung wird häufig das DRG * -System ge- nannt. „Ich halte das DRG- System im Kern für richtig“, betonte Montgomery. „Es gibt keine Alternative dazu.“ Falsch sei jedoch, das System zu 100 Prozent über DRGs zu finanzieren, so wie es in Deutschland geschehe. Prof. Dr. med. Georg Marckmann, Vorstand des Instituts für Ethik, Geschichte und Theo- rie der Medizin der Ludwig- Maximilians- Universität München, sprach sich vor diesem Hintergrund dafür aus, ethische Vorgaben in das DRG-System zu integrieren. „Ein Krankenhaus wird nicht ethisch geführt, sondern be- triebswirtschaftlich“, betonte er. „Mit Ethik dagegen zu halten, wird nicht funktio- nieren.“ Ethische Vorgaben in ein Finanzierungssystem zu integrieren, sei jedoch nicht leicht, denn Führungsqualität und ein guter Umgang mit Mitarbeitern, zum Beispiel, seien schlecht zu objektivie- ren. Solche Informationen könnten allerdings über Mit- arbeiterbefragungen erhoben werden. „Wenn sich die Mit- arbeiter wohlfühlen, wenn sie motiviert sind, kann dadurch auch die wirtschaftliche Lei- stungsfähigkeit eines Kran- kenhauses gestärkt werden“, sagte Marckmann. Kinder brauchen mehr Zeit Im politischen Berlin wird derzeit darüber diskutiert, wie das DRG-System um- gestaltet werden sollte. Im Pf legepersonal-Stärkungsge- setz hat der Bundestag am 9. November festgelegt, dass die Kosten für das Pflegepersonal ab 2020 aus den Fallpau- schalen herausgerechnet und zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern individuell verhandelt werden sollen. Die BÄK und andere Verbände fordern, dass analog auch mit Ökonomie muss den Zielen der Medizin dienen In Österreich werden Debatten oft so geführt, dass man tatsächlich glauben könnte, dass es viele Probleme nur hier gäbe. Aber Österreich ist keine Insel. Das zeigt die Kom- merzialisierungdisput in Deutschland, der kürzlich Gegenstand einer Veransdtaltung der deutschen Bundesärztekammer war. Der Bericht dazu erschien im Deutschen Ärzteblatt (48/30. November 2018). * Diagnosis Related Groups (DRG; deutsch: diagnosebezogene Fallgruppen) bezeichnen ein Klassifikationssystem für ein pau- schaliertes Abrechnungsverfahren, mit dem Krankenhausfälle (Patienten) anhand von medizinischen Daten Fallgruppen zuge- ordnet werden. Das deutsche System ähnelt der Leistungsorientie- ren Krankenhausfinanzierung (LKF) in Österreich. Sprasamkeit und wirtschaft­ liches Verhalten gehört auch zum Arztsein. Gefährlich wird es aber, wenn die Okonomie die Medizin beherrscht.

RkJQdWJsaXNoZXIy NDYwNjU=