AERZTE Steiermark | Dezember 2018
ÆRZTE Steiermark || 12 |2018 21 DEBATTE ihren Qualitätsberichten auf- führen, wenn sie sich nicht an die Vorgaben der DKG halten. Dies sei nicht ausreichend, betonte Gitter und kündigte an, mit dem Gesetzgeber über härtere Sanktionierungen zu sprechen. Eine Menge an Kapital Der Druck im Gesundheits- wesen wird zusätzlich erhöht durch private Kapitalgeber, die einen Teil der Erlöse der Häuser als Rendite einfordern. Die Sichtweise dieser Inve- storen erklärte Dr. rer. nat. Franz- Robert Klingan von der Unternehmensberatung Bain & Company. „Es gibt eine Menge an Kapital, das eine Anlage sucht“, sagte er. Die Investoren seien dabei rationale Menschen, die ihr Geld dort anlegten, wo es eine Rendite erwirtschafte. Und das sei im deutschen Gesundheitswesen der Fall. „Denn es gibt ineffiziente Lei- mit denen die Größe von MVZ und Ketten auf ein für die Versorgung sinnvolles Maß begrenzt wird.“ Vor- stellbar sei zum Beispiel eine zeitliche Begrenzung der Zulassung von MVZ. Wenn das Rad der Kommerzialisie- rung zu weit gedreht werde, wenn zum Beispiel die Patient- Arzt-Beziehung durch diese Entwicklung eingeschränkt werde, sei es die Aufgabe der Ärzteschaft, darauf hinzuwei- sen und Stellung zu beziehen, meinte Klingan. Wenn die Politik die regulatorischen Vorgaben dann verändere, würden auch die Investoren vorsichtiger werden. Klingan rief die Ärzteschaft zudem dazu auf, selbst in eigene Unternehmen zu investieren. „Wenn Sie das tun, haben Sie eine andere Form der Kontrolle“, sagte er. Auch andere Referenten betonten, dass die Verantwortung, die Kommerzialisierung im Sys- tem einzudämmen, auch bei den Ärztinnen und Ärzten liegt. Dr. med. Susanne Johna aus dem BÄK-Vorstand nann- te die Notfallversorgung als Beispiel: „Wir hören von der Geschäftsführung: Im Ver- gleich mit anderen Kliniken innerhalb unseres Konzerns nehmt ihr zu viele pflegebe- stungsbereiche, in denen Ka- pazitätsreserven bestehen“, so Klingan. „Der Anreiz für die Investoren ist: Alle werden gleich vergütet. Wer mit die- sem Geld ineffizient arbeitet, erhält weniger Rendite. Wer aber effizient arbeitet, erhält mehr.“ Deutschland sei dabei besonders attraktiv für die Eigenkapitalgeber, weil es hier relativ stabile und ver läss- liche Rahmenbedingungen gebe. Deshalb sei auch nicht davon auszugehen, dass die Attraktivität des deutschen Gesundheitswesens für Pri- vate-Equity-Unternehmen nachlasse. Bereits heute sei eine erhebliche Konsolidie- rung im Markt eingetreten, zum Beispiel durch die Ver- breitung von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). „In der ambulanten Versor- gung sind viele einzelne Pra- xen zu MVZ-Ketten zusam- mengeführt worden“, sagte Klingan. Ein Grund dafür sei auch, dass Ärzte, die ihre Praxis verkaufen wollen, häu- fig keinen Nachfolger fän- den. Wenn dann ein Investor komme und die Praxis zu einem vernünftigen Wert ab- nehme, ergriffen viele Ärzte diese Chance. BÄK-Präsident Montgomery konstatierte: „Wir brauchen Regelungen, dürftige Patienten auf. Gegen so etwas müssen wir Ärzte uns wehren!“ Das sei zwar für jeden einzelnen schwer. Deshalb „müssen wir uns öf- ter zusammentun und sagen: Das lassen wir nicht mit uns machen“, forderte sie. Die Präsidentin der Ärztekammer Thüringen, Dr. med. Ellen Lundershausen, stimmte zu. „Es ist nicht gottgegeben, dass Chefärzte zu den Vorgaben der Geschäftsführer ‚Ja und Amen‘ sagen müssen“, betonte sie. „Das ist auch ein Problem für die jungen Ärzte. Wenn junge Ärzte einen Chef haben, der vor den Geschäftsführern einknickt, denken sie, das sei normal. Wenn sie hingegen einen kritischen Chef haben, werden sie vielleicht selbst einmal kritischer gegenüber der Geschäftsführung auf- treten.“ „Wir verlieren den Respekt“ Eine junge Ärztin aus dem Publikum bestätigte diese Meinung. „Wir verlieren den Respekt vor den Chefärzten, die vor den kaufmännischen Geschäftsführern einkni- cken“, betonte diese und meinte: „Ich glaube, dass wir jungen Ärztinnen und Ärzte das anders machen werden.“ Foto: AdobeStock Wenn junge Ärzte einen Chef haben, der vor den Geschäftsführern einknickt, denken sie, das sei normal. Wenn sie hingegen einen kritischen Chef haben, werden sie vielleicht selbst einmal kritischer gegenüber der Geschäftsführung auftreten. Ärztliche Selbstdiagnose in Deutsch land: Kommerzialisierung schadet Ärztinnen und Ärzten genauso wie Patientinnen und Patienten.
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