AERZTE Steiermark | Dezember 2018

6 ÆRZTE Steiermark  || 12 | 2018 Eiko Meister Die Patienten brauchen mehr Orientierung Immerhin schon seit Februar gibt es eine offi­ zielle und österreichweite Einigung darüber, wie die (verpflichtende) Lehrpraxis ab 1. Juli 2018 gefördert und organisiert wird. 25 Prozent der Kosten übernimmt der Bund, je 32,5 Prozent tragen Länder und Gebietskrankenkassen, 10 Prozent die Lehrpraxisinhaber. Dieses Modell bedeutet eine gesicherte Förde- rung. Das ist gut. Aber drei Fördergeber machen das Management einigermaßen aufwendig – im alten System der freiwilligen Lehrpraxis gab es nur einen, den Bund. Das ist wohl auch der Grund dafür, dass die Steiermärkische Krankenanstaltengesellschaft dieses Management zuletzt nicht mehr über- nehmen wollte – obwohl es urprünglich ganz danach ausgesehen hatte und es in den meisten Bundesländern auch so funktioniert. Ebenso wollte die GKK diese Rolle nicht einnehmen. Aber die Lehrpraxisausbildung ist zu wichtig, als dass sie fünf Minuten vor zwölf an Verwal- tungsfragen scheitern darf. Deswegen ist die Ärztekammer eingesprungen und übernimmt das Fördermanagement. Damit ist den jungen Kolleginnen und Kollegen genauso geholfen, wie den Lehrpraxisinhaberinnen und -inhabern, de- nen auch nicht zugemutet werden soll, (verspro- chene) Förderungen einzutreiben. Man kann darüber diskutieren, warum mit der Ärztekammer die personell bei weitem am bescheidensten ausgestattete Organisation das Management übernimmt. Man kann aber nicht darüber diskutieren, ob die Lehrpraxis gesichert werden soll. Sie ist ge- setzlich vorgsehen und sie ist immens wichtig – für die jungen Ärztinnen und Ärzte ebenso wie für die allgemeinmedizinische Versorgung. Da- rum ist die Ärztekammer auch eingesprungen und handelt: Lehrpraxis gerettet. Vizepräsident Dr. Eiko Meister ist Obmann der Kurie Angestellte Ärzte. INTRA KONTRA Eine Reihe ärztlicher Tätigkeiten wird in Zukunft durch Algorithmen und Automaten besser zu bewerkstelli- gen sein. Schon jetzt funktioniert die Vorhersage einer Grippewelle zuverlässiger über die Masse der Daten von Google als über die Meldungen niedergelassener Ärzte. Meine Prognose lautet, dass das erste Angebot, das aus dem Gesundheitssektor verschwinden wird, die Tele- medizin sein wird. Was der Telemediziner am Telefon macht, wird in fünf bis zehn Jahren jede bessere Gesund- heits-App leisten können. Die ärztliche Tätigkeit ist aber nicht nur unter technisch-diagnostisch-therapeu- tischen Gesichtspunkten zu sehen, sondern auch als Form des Austausches über die Nöte der Menschen, ihr Leid und ihre Befindlichkeit. Und wollen wir Tätigkeiten, die wir gerne tun, wirklich an Roboter auslagern – aus rein wirtschaftlichen Grün- den? Es lässt sich ja auch niemand die Freude nehmen, mit einem Menschen Schach zu spielen, auch wenn die Computer viel, viel besser spielen. Unklar ist, wie Menschen emotional auf Automatisie- rung im Gesundheitswesen reagieren werden. Möglicher- weise fassen wir zu medizinischen Bots sogar schneller Vertrauen als zu Menschen. Denen unterstellen wir z.B. Desinteresse, vielleicht sogar Betrugsabsichten, Maschi- nen aber haben keine schlechte Laune, kennen keine An- tipathie und führen niemanden bewusst in die Irre. Sie machen dafür andere Fehler. So wie sich schon bisher standardisierte und zertifizierte Tätigkeiten durch Digitalisierung liberalisiert haben, wird es auch beim Arztberuf sein. Da können wir nur auf die Kräfte des freien Marktes hoffen, dass die Menschen nach mehrmaliger Enttäuschung nach Internet-Diagno- sen – so sie sie überleben – wieder zu einem menschlichen, gut ausgebildeten und erfahrenen Arzt gehen. Die Digitalisierung soll die berufliche Tätigkeit der Ärzte unterstützen, verbessern und mancherorts rationalisie- ren – aber nicht dominieren. Dr. Konrad Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universi- tät Wien. Der Text ist ein Auszug aus seiner Rede, gehal- ten beim Symposium „Ist Dr. Digi Rob der bessere Arzt?“ im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Infusion“. Für unsere Patie tinnen und Pat ent n gibt es keine unüb rwindlichen Mau rn zwischen Spital und Ordi- nation. Ganz im Gegenteil. Sie bewegen sich ganz selbst- verständlich zwische d hausärztlichen Praxis, der fachärztlich n Ordination d r Spezialambulanz. Das is nur leider keine Lösung, ondern die Ursache vieler Probl me. Denn naturgemäß folgen Patientinnen und Patienten dabei nicht notwendigerweise dem medizi- nisch n Sachverstand, sondern ihrer Laune, ihrer Angst, ihrer Ungeduld … Deswegen lan en auch so viele in der Notf ll- oder Spezialambula z, die dort gar nicht hingehören. Jetzt wird die Versorgungslandschaft einerseits komplexer (Gruppenpraxen, Primärversorgungseinheit n …), an- der rseits aber auch ei facher, wen ab April kommen- den Jahres eine zentrale Telefontriag das Notfall- und Bereitschaftsdi nstsystem rgänzt. Das ist eine Chance, die wir nützen müss . Eine neue Gen ration von Allgeme nm dizinerin en und Allgemeinmedizinern bekommt über die Lehrpraxen sehr viel frü er als n der Vergangenheit mit, wo die Möglichke ten und Grenzen der Ordi ationen liegen. Im euen Nachtdienst we den ab dem zweiten Quartal kommenden Jahres vielleicht a ch Statio särz innen und -ärzte vermehrt die Möglichkeit nutze , Nacht- dienste zu machen und dabei auch mehr über die ex- tramurale Versorgung erfahren. Wen wir wolle , dass Spezialambulanzen wieder Zeit haben, sich auf ihre speziellen Kompetenzen zu kon- zentriere und ihn n nich Patientinnen und Patienten die Tü einrennen, i ga nichts Spezi ll s wollen, sondern ga z allgemein eine Ärztin … we n Notfall­ ambul nzen nicht mehr hoffnungslos überlastet sein sollen, weil die Hälfte oder gar drei Viertel der Patient­ Inne sich dort nur „hinverirrt“ haben, weil sie dort schnell und m t G wissheit in Arzt finden – dann müssen wir den Patie tinnen und Patienten mehr Orienti r geben. U d das nicht erst im Akutfall. Das ist ein länger r Lernp ozess. Wir we den ihn jetzt starten. Diskuti rt wurde schon genug. Vizepräsident Dr. Eiko Meister ist Ob an der Kurie Angestellte Ärzte. Konrad Paul Liessmann Die Digitalisierung soll nicht dominieren

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