AERZTE Steiermark | Februar 2019

30 ÆRZTE Steiermark  || 02|2019 WALTER HOCH Manche Patienten haben nicht nur eine Not mit ihrer Krankheit, sondern auch mit ihrem Arzt. Das macht diesen Berufsstand auch zu einem begehrten, dankbaren Ziel sowohl hämischer als auch humorvoller Kommentare. Der Schwarm von Witzen, Sprichwörtern, Redewen- dungen, Maximen, Sentenzen und Aphorismen über Ärzte belebt deren Ruf – und zwar quer durch die Jahrhunderte und über alle Kulturen hin- weg. Was der Volksmund oft derb reimt, bringen Schriftsteller­ Innen mit scharfer Feder auf den Punkt oder reflektieren humorbegabte ÄrztInnen in sp(r)itzigen Bonmots. In jedem Fall üben die überraschende Formulierung und der ungewöhnliche Gedankengang eine große Anziehungskraft aus. Ob man sich nun darüber ärgert oder darüber Tränen lacht – die Überraschung, die Pointe unterhält den Leser – und regt ihn zum Nachdenken an. Auch wichtig: So mancher leidgeplagte Patient, dem im eigenen Elend vielleicht Worte oder Mut fehlen, freut sich diebisch: „Da hat endlich mal einer die Wahrheit gesagt. Der spricht mir aus der Seele!“ Brandaktuelles aus der Antike Schon im Corpus Hippokrati- cum, unter Medizinern wohl- bekannt als Sammlung von ca. 60 Schriften, die haupt- sächlich dem Arzt Hippo- krates zugeschrieben und deren Hauptentstehungszeit im 3. Jhd. v. Chr. angenom- men wird, steht Prägnantes über die Selbstheilungskräf- te: „Nicht der Arzt heilt die Krankheit, sondern der Kör- per heilt die Krankheit.“ Sein Zeitgenosse Platon plädierte schon in seinem Frühwerk Charmides für eine ganzheitliche Medizin: „Das ist der größte Fehler bei der Behandlung von Krank- heiten, dass es Ärzte für den Körper und Ärzte für die See- le gibt, wo beides doch nicht getrennt werden kann.“ Der Dichter Philemon klei- dete seine Ansicht über Ärzte in das rhetorische Stilmit- tel des Parallelismus: „Jedem Arzt geht es schlecht, wenn es niemandem schlecht geht.“ Der Stoiker Epiktet erkannte bereits den Arzt als Getrie- benen der Kranken: „Einem Arzt, der nichts verschreibt, zürnen die Kranken. Sie glau- ben, sie seien von ihm aufge- geben.“ Gift & Galle Wenig Spaß mit den Ärzten bewies der französische Essa- yist Montaigne (16. Jhd.): „Ich weiß, dass meine Abneigung gegen Ärzte krankhaft ist. Wenn sie mich aber am Leben erhält?“ Auf sehr schlechte Erfah- rungen dürfte Voltaires Ver- dikt über Ärzte zurückge- hen: „Ärzte schütten Me- dikamente, von denen sie wenig wissen, zur Heilung von Krankheiten, von denen sie noch weniger wissen, in Menschen, von denen sie gar nichts wissen.“ Zu Meistern der aphoris- tischen Formulierungs- kunst brachten es die fran- zösischen Moralisten im 17. Jahrhundert. Von La Bruyère etwa stammt eine Sentenz mit breitem Interpre- tationsspielraum: „Solange die Menschen sterben können und das Leben lieben, wird der Arzt verspottet – und gut bezahlt werden.“ La Rouchefoucauld mahnte zu kleinen Gesundheitssünden: „Wer seine Gesundheit durch allzu strenge Lebensweise zu erhalten sucht, begibt sich da- mit in eine fortlaufende und langweilige Krankheit.“ Mit einem Paradoxon schlug Karl Kraus in dieselbe Kerbe: „Gesund ist man erst, wenn man wieder alles tun kann, was einem schadet.“ Eher nach schwarzem Humor klingt George Sand (19. Jhd.): „Ärzte können ihre Fehler begraben, aber ein Architekt kann seinen Kunden nur raten, Efeu zu pf lan- zen.“ Ins selbe Horn stößt die Grab- WIRTSCHAFT & ERFOLG In der Kürze liegt die ...? ... Medizin! Schon Hippokrates heilte nicht nur mit trockener Medizin, sondern auch mit scharfzüngigen Aphorismen. Mit Geist, Witz und Wortspiel bringt diese knappe Form oft Einsichten auf den Punkt, die für die Ewigkeit gelten und doch zum Schmunzeln anregen. Foto: Shutterstock, wikimedia/Commons „Ich weiß, dass meine Abneigung gegen Ärzte krankhaft ist. Wenn sie mich aber am Leben erhält?“ Michel Eyquem de Montaigne

RkJQdWJsaXNoZXIy NDYwNjU=