AERZTE Steiermark | Februar 2019

ÆRZTE Steiermark  || 02|2019 7 Der Masernausbruch in der Steiermark – aber möglicherweise auch in anderen Bundesländern – ist in aller Munde, während ich diese Zeilen schreibe. Die Medien recherchieren und zitieren. Es gibt große Artikel in den Printmedien und so viele Radio- und TV-Diskussionen, dass manche Stationen ihre geplanten Sendungen schon wieder absagen, weil es so viele sind. Internati- onale Medien berichten. Dabei sind es jetzt nur ein oder zwei Dutzend Kranke. Im Vor- jahr waren es in Österreich 73. In der Ukraine gab es 2018 mehr als 35.000 Fälle, in Serbien gut 5.000 und deut- lich mehr als 2.000 in Frankreich, Italien und Griechenland. Man könnte also sagen, dass die öffentliche Erregung größer ist als das jetzige Ereignis. Man sollte und könnte diese Erregung aber auch nützen, damit größere Ereignisse nicht mehr stattfinden. Denn die intensive Informa- tionsarbeit – in der Steiermark ganz speziell die der Wissenschaftlichen Akademie für Vorsor- gemedizin – hat in den letzten 20 Jahren unge- mein viel erreicht, aber jetzt scheint der Plafond erreicht. Fundamentalistische Impfgegner sind zwar ein großes Ärgernis, aber die wahren Probleme sind Le- thargie und Vergesslichkeit. Wie sonst ist es zu erklären, dass die Teilnahme an der zweiten MMR-Teilimpfung (nicht nur in Österreich) wesentlich geringer ist als die an der ersten? Ich persönlich bin davon überzeugt, dass wir ein zusätzliches Instrument brauchen. Ich bin für eine intelligente „Impfpflicht“, am besten gebunden an kindbezogene Sozialleistungen wie Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld. Ich kenne natür- lich die Gegenargumente: Aus Impfskeptikern würden damit militante Impfgegner, die sich gegen Bevormundung wehren. Stattdessen sollte es noch mehr Information geben. Mehr Infor- mation ist immer gut. Wenn erreicht wird, dass die rund zwölf Prozent der steirischen Schulen, die derzeit „aus Datenschutz- gründen“ keine Impflisten herausgeben und damit die Informa- tion massiv behindern, das endlich tun, ist schon einiges erreicht. Aber dazu muss die Politik handeln. Ich will gar nicht sagen, dass es ihr an Mut fehlt. Sie wird die Masern halt auch leider schnell vergessen, wenn es die Öffentlichkeit tut. Und die ver- gisst rasch. 14 Tage vor den Masern sprachen noch alle über das „Schneechaos“. Das öffentliche Interesse schmolz aber gleich schnell wie der Schnee … Dr. Herwig Lindner ist Präsident der Ärztekammer Steiermark. Fotos: Oliver Wolf, Elke Meister, Harry Schiffer, © Arne Müseler / arne-mueseler.de / CC-BY-SA-3.0, Grafik: Konrad Lindner Ärztemangel – dieses Wort dominiert die gesundheitspolitische Debatte. Es gibt wohl kaum ein Land, in dem er kein Thema ist – von Deutschland bis Australien. Jedes Land, jede Re- gion setzt Maßnahmen. Gemeinden lassen sich Werbe-Videos einfallen, um sich Ärztinnen und Ärzten schmackhaft zu machen, es gibt Prämien und strukturelle Maßnahmen. Man könnte natürlich beklagen, dass es statt ge- meinsamem und entschlossenem Handeln immer noch Dispute um die politische Verantwortung gibt, dass manche den Mangel an Ärztinnen und Ärzten im öffentlichen Gesundheitswesen schönreden wollen, indem sie Birnen mit Äpfeln vergleichen. Aber das bringt keine Lösung. Ja, der Ärztemangel trifft auch die Steiermark. Ja, auch die Steiermark kämpft dagegen an. „Kassen- ärztemangel-Leugner“ gibt es hierzulande keine mehr. Und es gibt die tiefe Überzeugung, dass sich die eine Maßnahme, die alle Probleme löst, nicht finden lässt. Weder die Attraktivierung der Kassenverträge ist diese Lösung, noch sind es die Einführung des Jobsharing oder die Freiwilligkeit des hausärztlichen Bereitschafsdienstes ab April. Alle diese Schritte sind aber wichtige Bestandteile für eine Gesamtlösung. Auch die Starthilfe-Prämie für schwer besetz- bare Kassenpraxen ist kein Wundermittel. Sie ist aber eine Möglichkeit, um junge Kolleginnen und Kollegen zu ermutigen, den ersten Schritt zu wagen. Natürlich gibt es auch kritische Stimmen, vor allem von jenen, die bereits ganz ohne Prä- mie in die Praxis gegangen sind. Zwei Feststel- lungen dazu: Die „Starthilfe“ ist nicht Bestandteil des Kassenvertrages. Dass es die Prämie fix bis 2021 gibt, heißt nicht, dass es keine Fortsetzung darüber hinaus geben wird. Fehler und Versäumnisse der Vergangenheit dürfen uns jedenfalls nicht davon abhalten, jetzt richtige Lösungen zu versuchen. Vizepräsident Dr. Norbert Meindl ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte. EXTRA Norbert Meindl Keine Wunderwaffe gegen Ärztemangel STANDORTBESTIMMUNG Herwig Lindner Masern: Lösungen müssen her, bevor alles vergessen ist DEBATTE

RkJQdWJsaXNoZXIy NDYwNjU=