AERZTE Steiermark | April 2019

cover gerade dabei, diesen Ärger aus der Welt zu schaffen. Stichwort Geschäftsmodell: Da sprechen wir von verrechen- baren Leistungen. Die gibt es praktisch noch nicht. Völkl: Wir halten die Ärzte schadlos. Das, was sie für die uns drüber, indem wir die Ärzte schadlos halten. Das war Grund genug für die Ös- terreichische Ärztekammer, dabei mitzumachen. E-Tools funktionieren rund um die Uhr. Der Mensch kann um 2 Uhr in der Früh bei Amazon einkaufen … Völkl: Er kann auch um 2 Uhr in der Früh seinen Blutdruck messen, aber der Arzt schaut ihn sich erst um 6 Uhr in der Früh an … … das ist der Punkt. Erwartet sich der Patient nicht, dass ihm der Arzt schon um 2:20 Uhr antwortet? Völkl: Das glaube ich weniger. Es kann natürlich eine über- zogene Erwartungshaltung sein. Aber wenn sich der Pati- ent am nächsten Tag ins War- tezimmer setzt, weil er Pro- bleme mit seinem Blutdruck hat, wird es viel später. Das ‚E‘ vorne sagt zeit- und ortsunab- hängig. Den Antwortrhyth- mus – zum Beispiel innerhalb zwölf Stunden – muss man gemeinsam festlegen. Oft hat man den Eindruck, dass IT-Projekte von praxis- fernen Planern den Praktike- rinnen und Praktikern über- gestülpt werden. Erst wenn die sich wehren, kommt es zu An- passungen an die Praxis. Wa- rum kommt es nicht früher zur Einbindung der Anwender? Völkl: Uns sind auch jede Menge Fehleinschätzungen passiert. Wir haben mit dem Messen von Diabetes-Werten begonnen. Unser Zugang war, jeder Diabetiker bekommt ein Gerät und wird ein Leben lang Telemonitoring machen. Dann haben wir festgestellt, dass nach einer gewissen Zeit die Akzeptanz und das Enga- gement der Patienten nachge- lassen haben. Es ist ja völlig klar: Wenn Sie gut eingestellt sind, und Sie bekommen im- mer die gleiche Kurve und der Arzt schreibt dann plötzlich nicht mehr zurück, weil er nur ‚passt‘ schreiben könnte, macht das keinen Sinn. Man muss auch in Richtung Ge- schäftsmodell nachdenken, wie lange jemand Telemoni- toring-Patient bleibt. Dann traditionelle Behandlung be- kommen haben, bekommen sie auch, wenn Telemedizin bzw. Telemonitoring als Leis­ tung ansteht. Wir haben auch noch keine Idee, wie man das in ein neues Geschäfts- modell rechnerisch einbringt, aber im Moment helfen wir Ohne öffentliches Gesundheitssystem? Veriley, die Medizin-Firma des Google-Konzerns Alphabet, ist nur einer der großen Tech-Player am Gesundheitsmarkt. Apple, Amazon, IBM und viele andere Technologieunternehmen haben diesen Markt längst für sich entdeckt. Das öffentliche Gesundheitswesen ist da weit schlechter vorbereitet. Das ist zumindest das Ergebnis einer Studie des internationalen Bera- tungsunternehmens Deloitte für den deutschen Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV). „Durch Technologieplayer und Start-ups ergeben sich innova- tive und für Patienten attraktive Versorgungsoptionen zuneh- mend außerhalb des Gesundheitssystems“, zitiert das Handels- blatt aus der Studie. Das heißt zusammengefasst: Es stellt sich nicht die Frage, ob die Digitalisierung in der Medizin Einzug hält, sondern nur die, ob die bekannten Player des öffentlichen Gesundheitswesens oder private Unternehmen das Feld be- herrschen werden. Laut Deloitte-Studie haben die Privaten die besseren Karten. „Ich glaube, dieses ‚big business‘ ist bei weitem nicht so ‚big‘, dass man uns vorwerfen könnte, wir seien Lobbyisten für diese digitalen Firmen.“ Völkl: „Jede Menge Fehleinschätzungen passiert …“ 10 Ærzte Steiermark  || 04|2019

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