AERZTE Steiermark | April 2019

30 Ærzte Steiermark  || 04|2019 Foto: Shutterstock Medizin An der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychothera- peutische Medizin werden im Rahmen eines spezialisierten multimodalen Essstörungs- programms PatientInnen mit Anorexia nervosa in schwers- ten Ausprägungen (oft weit unter einem BMI von 13) behandelt (SEDU – Specialist Eating Disorder Unit). Die Versorgung dieser kri- tischen PatientInnengruppe erfordert ein hohes Maß an Aufmerksamkeit, Interdiszi- plinarität und stellt neben der psychiatrischen Behandlung auch von somatischer Seite her eine große Herausfor- derung dar. Besonderes Au- genmerk muss hier auf die Vermeidung der Entwicklung eines RS gelegt werden. Zwischen 20 und 50 Pro- zent der PatientInnen sind bei Aufnahme in ein Kran- kenhaus malnutriert. Daraus resultiert eine erhöhte Mor- talität, gesteigerte Komplika- tionsraten und längere Spi- talsaufenthalte, weshalb eine rasche Etablierung einer ad- äquaten Ernährungstherapie wichtig ist. Eine potentiell tödliche Nebenwirkung stellt hier jedoch das RS dar. Der stärkste Risikofaktor für die Entwicklung eines RS ist die vorbestehende Malnutri- tion. Doch nicht nur Patient­ Innen mit Anorexia nervosa können vom RS betroffen sein. Auch durch strenges Fasten bzw. Nulldiät, postoperative Nahrungskarenz, Schwanger- schaft mit Hyperemesis gra- vidarum, Alkoholkrankheit mit einseitiger Mangelernäh- rung, vegane phosphat- und eiweißarme Ernährung und nach längerdauerndem Hun- gerstreik kann das RS ausge- löst werden. Eine spezielle Gruppe stellen PatientInnen mit Tumorer- krankungen bzw. Patient­ Innen unter laufender Che- motherapie mit Schädigung der Darmmucosa, aber auch geriatrische oder demente PatientInnen dar. Besonders zu beachten ist, dass auch adi- pöse Menschen nach entspre- chender Nahrungskarenz ein RS erleiden können (Tab. 1). Historisch gesehen wurden diese Phänomene schon in frühen Kriegsberichterstat- tungen als unklare Todesfälle bedingt durch Völlerei nach entbehrungsreichen Mär- schen berichtet. In der medi- zinischen Literatur erschienen erste Berichte über ein RS im Jahr 1945 nach der Befreiung der Konzentrationslager in Europa und bei japanischen Kriegsgefangenen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Bei diesen Patientenpopula- tionen traten nach Wieder- beginn der Nahrungszufuhr Herzversagen und neurolo- gische Komplikationen wie Krämpfe sowie Koma auf. Eine Mortalität von bis zu 20 % konnte beobachtet werden. Pathophysiologie Unter physiologischen Be- dingungen ist Glukose das bevorzugte Substrat für den Organismus. Davon benötigt der Körper zumindest 100– 150g pro Tag, um glukoseab- hängige Gewebe wie das Zen- tralnervensystem ausreichend mit Glukose zu versorgen sowie einem Proteinabbau vorzubeugen. Kommt es zu einer reduzierten Nahrungs- Bis zu 80 Prozent aller malnutrierten PatientInnen entwickeln unter der wieder aufgenom- menen Nährstoffzufuhr innerhalb von 72 Stunden ein Refeeding-Syndrom mit den Kardi- nalsymptomen Hypophosphatämie und Ödembildung. Wird das Refeeding-Syndrom (RS) nicht erkannt, kann es potentiell tödlich enden. Das Refeeding-Syndrom – ein potentiell lebensbedrohliches A. Kohlhammer-Dohr, T. Lahousen-Luxenberger Zwischen 20 und 50 Prozent der Patient­ Innen sind bei Aufnahme in ein Kranken- haus malnu- triert. Daraus resultieren eine erhöhte Morta- lität, gesteigerte Komplikati- onsraten und längere Spitals­ aufenthalte, weshalb eine rasche Eta- blierung einer adäquaten Er- nährungsthera- pie wichtig ist. Eine potentiell tödliche Neben- wirkung stellt hier jedoch das RS dar.

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