AERZTE Steiermark | April 2019

Ærzte Steiermark  || 04|2019 7 debatte Den Ärztemangel in der öffentlichen Gesundheitsversorgung gibt es. Das bestreitet kaum mehr jemand. Das ist der Mangel an Interessentinnen und Interessenten für Kassenstellen, vor allem in der Allgemeinmedizin, aber auch in einigen Sonder­ fächern – vor allem der Kinder- und Jugendheilkunde und der Gynäkologie. Das ist auch der Mangel an Spitalsärztinnen und -ärzten in öffentlichen Krankenhäusern. Dass es in Summe genug AbsolventInnen der Medizinischen Universitäten gibt, ändert nichts an diesem Problem. Die Idee, diesem Ärztemangel in der öffent- lichen Gesundheitsversorgung durch mehr Studienplätze oder gar neue Medizinische Uni- versitäten zu begegnen, trägt also nichts zur Problemlösung bei. So werden nur Wahlärztinnen und Wahlärzte produziert. Einigen ist auch schon eingefallen, die Barrieren für Wahlärztinnen und Wahlärzte zu erhöhen, obwohl diese bzw. deren Patien- tinnen und Patienten die öffentliche Gesund- heitsversorgung entlasten. Das wird aber nicht der öffentlichen Gesundheitsversorgung in Österreich helfen, sondern nur die Abwanderung nach Deutsch- land (und in andere Länder) erhöhen: In Deutschland arbeiten nach jüngster Statistik fast 2.700 Ärztinnen und Ärzte aus Öster- reich und stellen damit die drittgrößte Gruppe nach Rumänien und Griechenland. Diese Abwanderung ist zuletzt geringer geworden (im Jahr 2018 betrug sie „nur“ mehr +1,7 % ), weil die Rahmenbedingungen hierzulande besser wurden. Wenn diese Verbesserungen aber nicht weitergehen (und wir reden nicht vorrangig von Geld), wird sie wieder steigen. Ausbildungsbedingungen in den Spitälern verbessern, wertschät- zend mit ärztlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umgehen, sich bei den Verbesserungen im kassenärztlichen Bereich nicht auf den in der letzten Zeit zweifellos erworbenen Lorbeeren ausruhen, sondern die Attraktivierung weiter voranbringen – das ist der Weg, der aus der Ärztemangel-Krise in der öffentlichen Gesund- heitsversorgung führt. Nur so wird das erkannte Problem auch gelöst. Dr. Herwig Lindner ist Präsident der Ärztekammer Steiermark. Fotos: Oliver Wolf, Elke Meister, Harry Schiffer, beigestellt, Grafik: Konrad Lindner Der Primärversorgungsvertrag zwischen dem Hauptverband und der Österreichischen Ärz- tekammer ist vorbehaltlich interner Beschlüsse fixiert. Es gab natürlich ein paar schwierige Punkte: Da war einmal die verpflichtende Teil- nahme an Bereitschaftsdiensten. Die gibt es nun nicht. Da war der kassenfreie Raum. Den werden auch Primärversorgungseinheiten in der gleichen Form haben wie die einzelnen niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte. Und die Frage der Neben- beschäftigung wird auf Landesebene fixiert. Für manche in der Gesundheitsverwaltung waren Primärversorgungseinheiten eine verlockende Chance, niedergelassene Ärztinnen und Ärzte stärker an die Kandare zu nehmen. Dagegen habe ich immer mit allen Mitteln ge- kämpft und werde es weiter tun, wenn es notwen- dig sein sollte. Denn zweifellos sind PVE etwas, das (nicht nur) jungen Ärztinnen und Ärzten gefällt. Es ist die Möglichkeit zu mehr Teamwork, zu mehr Kooperation. Aber im Prinzip sind PVE nichts Neues. Aus ärztlicher Sicht sind es Gruppenpraxen oder Netz- werke. Sie sind aber – wie ja auch Gesundheitspo- litikerinnen und -politiker mit ihren vorgelagerten Expertinnen und Experten immer wieder betonen – keine neue Versorgungsebene, sondern lediglich eine spezielle Organisationsform im Rahmen der niedergelassenen Versorgung. Deswegen gibt es auch keinerlei Grund, sie an- ders – gar entscheidend schlechter – zu behan- deln als Einzelpraxen. Manche Fans von PVE, auch innerhalb der Ärzteschaft, übersehen das leider und sind dazu bereit, einen viel zu hohen Preis für die PVE-Möglichkeit zu bezahlen. Aber: Wer die extramurale Versorgung tatsäch- lich verbessern will, kann die ärztliche Selbstfes- selung und Selbst-Entmündigung nicht akzeptie- ren. Auch im Teamwork müssen wir frei bleiben. Vizepräsident Dr. Norbert Meindl ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte. extra Norbert Meindl PVE: Auch im Team müssen wir frei bleiben Standortbestimmung Herwig Lindner Ärztemangel: Problem erkannt, aber nicht gebannt

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