AERZTE Steiermark | Juni 2019
ÆRZTE Steiermark || 06|2019 11 COVER „Neue Kultur des Alterns“ Wie alt werden wir? Wie werden wir alt? Unter diesem Motto sprach der Ärztliche Di- rektor des Krankenhauses der Elisabethinen in Graz, Internist und Geriater Gerald Geyer, anlässlich der Enquete für Lebens- und Familienvorsorge „Leben braucht Klarheit“. Die En- quete war eine Kooperation der Notariatskammer mit der Ärztekammer, Wirtschaftskammer, der Med Uni Graz und dem Land Steiermark. Geyer spannte den Bogen vom Abschneiden Österreichs bei den gesunden Lebensjahren über häufige Todesursachen hin zu da- raus resultierenden Anforderungen an das Gesundheitssystem. Während die Anzahl der erwarteten gesunden Lebensjahre in Österreich aktuell deutlich unter dem EU-Schnitt liegt (Frauen: 57,1 zu 64,2/Männer: 57,0 zu 63,5), ist Schweden mit 73,3/73,0 bestplatziert (eurostat-Daten von 2016). Was auch, so Geyers Vermutung, an einer verfeinerten Erhebungstechnik liegen könnte: Vor ein paar Jahren haben Deutschland und Schweden auf eine erweiterte Fragestellung umgestellt. Seitdem schneiden beide Länder deutlich besser ab. Nierenversagen statt Malaria Geyer verglich die derzeit häufigsten Todesursachen mit deren extrapolierter Entwicklung bis zum Jahr 2040: Im Jahr 2016 lagen ischämische Herzerkrankungen, Schlaganfälle und Infek- tionen der unteren Atemwege an der Spitze – genau diese Top 3 sind auch für 2040 prognostiziert. Durchfallerkrankungen sollen von Platz 4 auf Platz 10 abfallen; Malaria von 6 auf 22. Häufiger als bisher soll COPD (von Platz 9 auf 4) tödlich enden. Auch chronische Nierenerkrankungen (von 16 auf 5) und Alz- heimer (von 18 auf 6) könnten dramatisch zunehmen. Als we- sentliche Risikofaktoren für verlorene Lebensjahre im Jahr 2040 werden Bluthochdruck, hoher Body Mass Index, erhöhter Nüch- ternblutzucker und Tabakkonsum genannt. Geyer präsentierte auch Ergebnisse des Österreichischen Komorbiditätsnetzwerks. Die empirische Beobachtung zeige: „Menschen bekommen Krankheiten, die im Netzwerk nahe zu denjenigen liegen, die sie bereits haben.“ So stehen etwa Fettstoffwechselstörungen, Adipositas und Bluthochdruck in engem Zusammenhang. Alter(n) gestalten Eine deutliche Zunahme wird bei den Ein-Personen-Haushal- ten erwartet: Legt man den Wert für 2009 mit 100 fest, so soll Vorarlberg im Jahr 2049 auf über 150 kommen; die Steiermark immerhin auf 126. Dies ist aber nur ein Faktor der „Neuen Kultur des Alterns“, wie Geyer betont. Das (weiterhin feminin dominierte) Alter soll zunehmend als zu gestaltende Phase wahrgenommen werden, geprägt von hoher Selbst- und Mitbe- stimmung, erleichtert durch digitale Kompetenzen und inho- mogen durch eine Vielfalt der Lebensstile. Gesundheit werde zunehmend zur Bildungs- und Lernaufgabe. Für die Zukunftsfitness der Gesundheitseinrichtungen bedeu- ten diese Tendenzen, dass sie einerseits auf die Förderung der Gesundheitskompetenz der Betroffenen abzielen müssen – mit leicht zugänglichen einfachen Informationen, verständlichen Leitsystemen, angepassten psychosozialen Diensten (z. B. ambulanter Demenzversorgung) sowie persönlicher Kom- munikation. Zum anderen wird ein sektorenübergreifendes Geriatriekonzept vonnöten sein – mit der Nahtstelle Hausarzt, mobilen geriatrischen Konsiliardiensten, Remobilisationsteams und alterspsychiatrischen Teams. Sowohl die häusliche Pflege als auch Pflegewohnheimplätze werden in Hinkunft zu unterstützen beziehungsweise zu schaf- fen sein – ebenso wie Einrichtungen für Hospital dependent patients. Stationen für Akutgeriatrie und Remobilisation seien in allen Spitälern vorzusehen. MKH Vorau Altersstruktur in Österreich 2010 Statistik Austria. , http://www.statistik.at MKH Vorau Altersstruktur in Österreich 2030 Statistik Austria. , http://www.statistik.at
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