AERZTE Steiermark | Juni 2019

COVER 9 ÆRZTE Steiermark  || 06|2019 Fotos: Shutterstock, Med Uni Graz, Wiesner wohl vorklinische Institute als auch klinische Abteilungen einbindet“, erzählt Schmidt. Ihre Ausbildung in Gene- tischer Epidemiologie an der Erasmus Universität Rotter- dam sowie ihre Mitarbeit an der Austrian Stroke Prevention Study (ASPS) prädestinierten Schmidt für die Leitung dieser Studie. Wachsende Interdisziplinarität Nach einer Beratungszeit im Teamwurde der Fokus auf das Thema Altern gelegt. Aus der ursprünglichen Kerngruppe entwickelte sich ein multidis- ziplinäres Netzwerk: Begin- nend mit den Grazer Univer- sitätskliniken für Neurologie, Kardiologie, Dermatologie und Augenheilkunde, unter- stützt durch das Klinische Institut für Medizinische und Chemische Labordiagnostik (KIMCL), die Biobank, das Institut für Medizinische In- formatik, Statistik und Doku- mentation sowie die Kliniken für Medizinische Psychologie und Abteilungen für Immu- nologie und Endokrinologie. Dazu stießen unter ande- rem die Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheil- kunde, die KFU-Institute für Musikwissenschaft (zur prä- ventiven und kurativen Wir- kung von Musik und Tanz) und Sportwissenschaft sowie die FH Joanneum. Jeder nur erdenkliche Aspekt des Al- terns soll damit abgedeckt und jegliche in Graz vorhan- dene Expertise dazu genutzt werden. „Ziel der Studie ist es, dass sie sich in die internationale Forschungslandschaft einbin- den lässt, aber mindestens zur Hälfte auch neue Erkennt- nisse liefert“, betont Schmidt. Gestaltbarer Prozess Dem mittlerweile üblichen Begriff des „healthy ageing“ kann Schmidt wenig abge- winnen: „Altern ist niemals gesund, sondern geht immer mit einem Funktionsverlust einher. Aber das Altern ist ein plastischer, gestaltbarer Pro- zess, der sich verlangsamen und teils auch umkehren lässt – wenn wir ihn verstehen. Da- durch kann Leiden reduziert werden und die Menschen können länger aktiv und pro- duktiv sein.“ In der Pilotphase wurde das Studiendesign an 100 Per- sonen erprobt, von denen je- weils mehr als 5.000 Daten er- hoben wurden: vom Gehirn- MRI über mikroskopische „Immer 100 Prozent anstreben“ Helena Schmidt hat die ärztliche Kunst von der Wiege auf gelernt: Ihre Mutter war – und ist es mit 82 Jahren in ein- geschränkter Form noch – als pädiat- rische Primaria mit neurologischem Schwerpunkt tätig; ihr Vater leitete ein medizinisches Labor und untersuchte in den 1960ern als Pionier in Ungarn bereits Chromo- somen. Helena Schmidt wurde in Budapest geboren, wuchs in einer Kleinstadt nahe der slowakischen Grenze auf und kehrte in ein Elite-Gymnasium in die Hauptstadt zurück. Dort studierte sie schließlich an der Semmelweis Universität Medizin und promovierte 1989. Nach Öster- reich kam sie der Liebe wegen, wobei das junge Ehepaar sein erstes gemeinsames Jahr in Buffalo, USA, verbrachte, wo Schmidt im Roswell Park Cancer Institut im Depart- ment für Biomathematics forschte. In Österreich begann Schmidt, als ihre Tochter vier Mo- nate alt war, an der Kinderklinik zu arbeiten, wobei ihr eigentliches Ziel immer die Forschung war. Ihr damaliger Vorgesetzter, Professor Wilhelm Kaulfersch, vermittelte ihr eine Stelle an jenem Institut, das sich heute nach einer namensreichen Vergangenheit Gottfried Schatz For- schungszentrum für zelluläre Signaltransduktion, Stoff- wechsel und Altern nennt, und an dem sie nun seit mehr als einem Vierteljahrhundert tätig ist. „Die vielen Na- mensänderungen des Institutes zeigen deutlich, in welche Richtung sich die entsprechende Forschung verändert hat“, so Schmidt. Das Attribut „Altern“ im aktuellen Institutsnamen bildet ihren Forschungsschwerpunkt ab. Schmidt leitet aktuell die Forschungseinheit Genetische Epidemiologie und ist Professorin für Genetische Epi- demiologie und Suszeptibilitätsdiagnostik. Ihr epide- miologisches Know-how erwarb sie sich 2001 durch einen Master of Science in Genetic Epidemiology an der Erasmus Universität Rotterdam und 2004 durch den Dr. phil. in Genetischer Epidemiologie. Habilitiert hat sie sich im Jahr 2001 in Graz an der KFU in Medizinischer Biochemie mit besonderer Berücksichtigung der Moleku- larbiologie. „Gute Forschung braucht Zeit“, lautet Helena Schmidts Arbeitsethos. „Manche sagen, 80 Prozent Perfektion wür- den reichen, aber ich finde, man soll immer 100 Prozent anstreben.“

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