AERZTE Steiermark | September 2019

ARZT IM BESONDEREN DIENST immer klar, dass ihr einziger Sohn in ihre Fußstapfen tre- ten sollte. Dem Wunsch der Mutter entsprach auch Rainer Wallands Willen. Erschüttert wurde dieser erst durch eine Berufsberatung in der sie- benten Klasse Gymnasium. Wissenschafter solle er wer- den, lautete der Ratschlag der Experten, für die Praxis sei er nicht so geeignet. „Ich kenne dich besser“, soll seine Mut- ter geantwortet haben. Den Lehrberuf hätte sich Walland auch noch vorstellen können und später im Studium eine Facharztausbildung. „Bei je- dem neuen Fach hatte ich das Gefühl, das wäre das richtige. Aber dann erschien es mir doch zu eng. Ich wollte immer den Menschen im Ganzen sehen.“ So wurde es doch die Allgemeinmedizin. Über die Muttermilch Walland hat die Feinheiten des Landarzt-Alltags schon mit der Muttermilch eingeso- gen und auch das manchmal Bittere des unermüdlichen Arbeitens und der ständigen Erreichbarkeit geschmeckt. Bereits als Mittelschüler be- gleitete er seine Mutter – in- zwischen Autofahrerin – auf URSULA SCHOLZ Erst der Fleischhauermeister, dann der Landarzt. Im Mu- rauer Handwerksmuseum präsentieren lokale Größen im Rahmen der Veranstal- tungsreihe „Erzählcafé“ die Geschichte ihres „Hand- werks“. So auch Rainer Wal- land, seit 2016 Landarzt in Ruhe. Er selbst hat kein Pro- blem damit, seinen Beruf in die Riege der Handwerke ein- zureihen: „Der (Land-)Arzt ist durchaus ein Handwerk – eigentlich im feinsten Sinne. Auch wenn nicht gerade chi- rurgisch tätig, ist seine Be- HANDlung der Sensor zum Patienten.“ Dieser werde in mehrerlei Hinsicht vom Arzt berührt und dadurch gestärkt, während der Arzt gleichzeitig einen Tastbefund erhalte. Das Interesse der Bevölke- rung an Wallands Auftritt war enorm: Der Saal war bis auf den letzten Sessel besetzt, und einige Zuhörer verfolgten seinen Auftritt sogar vom Ne- benraum aus. „Es war einer der schönsten Tage meines Lebens“, resümiert Walland. „Einerseits meiner Mutter diese Ehre zukommen zu lassen, andererseits die Resonanz der Leute zu spüren, wie Vergan- genes neue Bilder und Erinne- rungen zu wecken mag.“ Denn Walland sprach nicht nur über seine ärztliche Zeit in Murau, von der Ordinationseröffnung Visite und legte imWinter die Schneeketten an. Nahm sich die Ordinationsassistentin Urlaub, vertrat sie der noch in Graz Studierende. Ab 1982 führte er nach dem Turnus in Judenburg und Leoben seine eigene Praxis – mit einem abwechslungsreichen Alltag von der Grippe über Mutter- Kind-Pass-Untersuchungen (Gynäkologen gab es in der Nähe noch keinen) bis hin zur „kleinen Chirurgie“. Daneben war er Bezirksfeuerwehrarzt und widmete sich mehr und mehr den Heilungsformen abseits der klassischen Schul- medizin: Sauerstoffionenthe- rapie, Ultrarotlicht, orthomo- lekulare Medizin … Seine eigenen, mittlerwei- le erwachsenen Kinder be­ obachteten den Arbeitsein- satz ihres Vaters ebenfalls bewusst, allerdings zogen sie daraus einen anderen Schluss: „Das tun wir uns sicher nicht an, um zwei in der Nacht aufzustehen“, lautete ihr Fazit. Auch Walland selbst sieht heute, welchen privaten Preis er für sein berufliches Enga- gement gezahlt hat. Die Patienten jedoch wissen 1982 bis zur Pensionierung im Juni 2016, sondern auch über das Wirken seiner Mutter Erika Walland-Zwicknagl, die von 1944 bis 1986 eine Plan- stelle in Murau innehatte. „Sie war und bleibt für mich Vorbild als Landärztin, Haus- und Fa- milienärztin mit höchstem me- dizinischem Können und größ- ter menschlicher Integrität.“ Visite auf Pferd Fanny Wallands Mutter betreute die Menschen in der Stadt Murau, aber auch von der Stolzalpe bis in die Krakau und von Frojach bis Stadl. Sie beglei- tete Geburten im Stall, nähte bei Kerzenlicht, kochte da- heim ihre Spritzen aus und rückte während der Diphthe- rie-Epidemien aus. Unterwegs war sie mit dem Fahrrad, auf Pferd Fanny, mit dem Zug oder am Sozius ihres Mo- torrad fahrenden Mannes – und, wo es anders nicht mehr weiterging, zu Fuß. Einen seiner ersten Hausbesuche absolvierte Rainer Walland selbst im März 1950, dem Jahr seiner Geburt, wie ein Erzählcafé-Besucher im An- schluss anmerkte. Auf dem Motorrad, in utero. Von Mut- terschutz war da noch keine Rede und so kam der kleine Rainer zusammen mit seiner Zwillingsschwester schon im siebenten Schwangerschafts- monat zur Welt. Für seine „Mutti“ war es Handwerker – „im feinsten Sinne“ Über 30 Jahre lang war Rainer Walland Landarzt in Murau – wie zuvor seine Mutter. Im „Erzählcafé“ des Murauer Hand- werksmuseums berichtete er über den Wandel seines Berufes von den 1940er-Jahren bis heute. Ein paar seiner alten Utensi- lien werden bald auch zu den Museumsstücken zählen. 16 ÆRZTE Steiermark  || 09|2019 Der Saal war bei Wallands Auftritt bis auf den letzten Platz besetzt.

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