AERZTE Steiermark | Oktober 2019

ÆRZTE Steiermark  || 10|2019 21 MARTIN NOVAK „111-Gründe“-Bücher gibt es zuhauf. Einzigartig ist aber, dass es sowohl ein 111-Grün- de-Buch „Arzt zu sein“, als­ auch ein 111-Gründe-„kein- Arzt-zu-sein“-Buch gibt. Geschrieben wurden beide Bücher von deutschen Spi- talsärzten, deren Bilder im Arztkittel auch die Titelseiten zieren. Das positive mit dem Untertitel „Eine Hommage an den schönsten Beruf der Welt“ hat der Notarzt und Spiegel- Bestseller-Autor Falk Stirkat 2016 veröffentlicht, das Ge- genbuch der Chirurg Göran Wild – auch er war viele Jahre als Notarzt tätig – mit dem Untertitel „Ein Abgesang an den ehemals schönsten Beruf der Welt“ im Jahr 2019. Beide Bücher sind im selben Verlag erschienen. Nun könnte man annehmen, dass sich der Beruf in drei Jahren so verändert hat, dass er vom schönsten zum ehe- mals schönsten wurde. Das lässt sich aber aus den beiden Werken nicht herauslesen. Die Beobachtungen decken sich sogar in vielen Fällen, nur die Schlussfolgerungen nicht. Positiv-Buch-Autor Stirkat verpackt die Leiden des Me- dizinstudiums (Auswendig- lernen) in einen Scherz und kommt zum Schluss, dass Ärzte top ausgebildet sind. Die Gegenposition von Wild: „Weil man im Studium ei- nen Haufen unbrauchbares Zeugs lernen muss“, ist für ihn ein gewichtiger Grund, vom Beruf Arzt abzuraten. Breiten Raum nimmt in bei- den Büchern naturgemäß die Beziehung zu den Patien- tinnen und Patienten ein. Göran Wild geht aus seiner 222 Gründe, (kein) Arzt zu sein Zwei Bücher liefern Argumente für und gegen den ärztlichen Beruf. Beide wurden von Ärzten geschrieben. Sicht auf die Negativa – und nur auf die – ein: Weil Pati- enten den Beipackzettel lesen, Bewertungsplattformen nut- zen, um Ärztinnen und Ärzte (unsachlich) zu kritisieren, „sich viele die Füße nicht wa- schen“ oder „weil unser Kolle- ge Dr. Google uns das Leben schwer macht“, werden etwa als Gründe dafür angeführt, dass der Arztberuf seine At- traktivität verloren hat. Die positiven Aspekte zählt dagegen sein Kollege Falk Stirkat auf: „Weil eine enge Patientenbindung eine feine Sache ist“, oder „weil es Pati- enten nach dem Arztbesuch besser geht als davor“, fallen ihm als Gründe ein, seinen Beruf zu mögen. Auch der Zugang zur Gesundheitspoli- tik ist für beide wenig unter- schiedlich. Aber die daraus gezogenen Schlüsse sind es: „Weil Ärzte trotz Qualitäts- management qualitativ hoch- wertige Arbeit leisten“, sie „eine starke Lobby haben“ und „weil man als Arzt wie ein Privatversicherter be- handelt wird, obwohl man es vielleicht gar nicht ist“, nennt Stirkat als Pro-Argumente. Wild kontert mit „weil ich vorgeschrieben bekomme, was meine Arbeitskraft und Leistung wert sind“ oder „weil uns mit Medizinprodukten das Geld aus der Tasche gezo- gen wird“. Welcher Position man den Vorzug gibt, liegt dann wohl imAuge der Betrachterin oder des Betrachters. Am besten ist es wohl, sich beide Bücher zu Gemüte zu führen bzw. beide junge Menschen, die sich überlegen, den ärztlichen Beruf zu ergreifen, lesen zu lassen. Dann kann ja jeder selbst entscheiden – oder ein drittes Buch schreiben. Foto: Conclusio BUCHBESPRECHUNG Falk Stirkat hat 111 Argumente für den ärztlichen Beruf gefunden, Göran Wild ebenso viele dagegen. Beide Bücher sind im Verlag Schwarz- kopf & Schwarz- kopf erschienen.

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