AERZTE Steiermark | Oktober 2019
28 ÆRZTE Steiermark || 10|2019 VERSORGUNG Foto: Fotolia War die politische Forderung nach der Abschaffung der Wahlärztinnen und Wahlärzte nur Füllmaterial für das sprichwörtliche Sommerloch? Gut wäre es, denn ohne sie wäre die Versorgung nicht aufrechtzuerhalten. Ohne Wahlärzte geht‘s nicht Ohne Ärzte geht‘s nicht, lau- tet ein fast schon geflügeltes Wort. Dass es ohne Wahlärz- tinnen und Wahlärzte geht, schien in diesem Sommer der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker zu denken und verlangte kurzerhand deren Abschaffung. Gemeint haben kann er wohl nur die Abschaf- fung der hauptberuf lichen niedergelassenen Wahlärz- tinnen und Wahlärzte bzw. die Abschaffung der Kassen- Rückersätze für Patientinnen und Patienten, die deren Leis- tungen in Anspruch nehmen. Die generelle Beseitigung der Niederlassungsfreiheit ist in einem demokratischen Sys- tem ja kaum denkbar. Aber auch das „Abschaf- fungsmodell light“ nach Hacker würde die Gesund- heitsversorgung wohl kolla- bieren lassen. Sehen wir uns die steirischen Zahlen an: Es gibt 890 niedergelassene WahlärztInnen, 764 davon in Fächern, in denen es auch GKK-Vertragsärztinnen und -ärzte gibt. Also 45 Prozent der Ärztinnen und Ärzte in „Kassenfächern“ haben kei- nen GKK-Vertrag. Ironischerweise sparen sie den Krankenkassen ziem- lich viel Geld: Schließlich bekommen GKK-Versicher- te, die eine Wahlärztin oder einen Wahlarzt aufsuchen, nur 80 Prozent des Kassen- tarifs rückerstattet. In vielen Fällen ist es aber nur ein Bruchteil dieser 80 Prozent, weil Degressionen und Li- mite für Kassenärztinnen und ärztliche Hilfe leisten, tragen maßgeblich dazu bei, dass das kassenärztliche System die Patientenströme noch bewäl- tigen kann. Gewaltige Unterschiede Die generelle Aussage, dass 45 bis knapp 50 Prozent der hauptberuflich niedergelas- senen Ärztinnen und Ärzte keinen Kassenvertrag haben, gibt nur ein sehr grobes Bild: Im Fach Lungenheilkunde haben 95 Prozent einen GKK- Vertrag, in der Urologie sind es nur mehr knapp 64 Prozent. In 9 von 17 GKK-Kassenfä- chern stellen die Wahlärz- tinnen und Wahlärzte bereits die Mehrheit. In der von der GKK ungeliebten Allgemein- chirurgie (hier sollen die Kas- senstellen bekanntlich aus- laufen und es gibt nur mehr 5 Allgemeinchirurginnen und -chirurgen mit GKK-Vertrag) liegt der Anteil der Wahlärz- tinnen und Wahlärzte schon bei mehr als 83 Prozent. Aber auch klassische „Kassenfä- cher“ wie die Frauenheilkun- -ärzte berücksichtigt werden. Würde die steirische GKK mehrere 100 Kassenstellen mehr schaffen, um die Ver- sorgung ohne Wahlärztinnen und Wahlärzte für ihre Ver- sicherten aufrechtzuerhalten, würden die Kosten wohl nach oben schnellen müssen. Die gut 17 Millionen Euro (Stand 2017), die die Steiermärkische Gebietskrankenkasse für Wahlarztrückersätze an ihre Versicherten aufwendet, wür- den da kaum reichen. Denn die zwar unbekannte – aber sicherlich vorhandene – Zahl von Patientinnen und Pa- tienten, die wegen der teils geringen Höhe der Rückersät- ze darauf verzichten sie ein- zufordern, gebe es in einem rein kassenärztlichen System naturgemäß nicht mehr. Statt also darüber zu lamen- tieren, dass Wahlärztinnen und Wahlärzte zur Zwei- Klassen-Medizin beitragen, könnte man auch das Ge- genteil sagen: Patientinnen und Patienten, die sich wahl- de oder die Orthopädie haben einen wahlärztlichen Anteil von mehr als 60 Prozent oder knapp darunter. Selbst in der Kinder- und Jugendheilkunde beträgt der wahlärztliche An- teil bereits an die 44 Prozent. Das hat einiges damit zu tun, dass Ärztinnen und Ärzte, aber auch Patientinnen und Patienten mit den Leistungs- beschränkungen und dem bürokratischen Aufwand des Kassensystems nicht leben wollen. Und dass Patien- tinnen und Patienten die gar nicht so hohen „Out-of-the- pocket“-Zahlungen für wahl- ärztliche Leistungen, die sich am Kassentarif orientieren, gerne in Kauf nehmen, um sich dem GKK-System nicht unterwerfen zu müssen. Weniger für mehr Ein Problem ist die Entwick- lung weniger für die Ärz- tinnen und Ärzte als für die Krankenversicherten. Deren Zahl steigt, vor allem in den urbanen Räumen. Während- (Hauptberuf- liche) Wahl- ärztInnen ab- schaffen? Das Kassensystem würde dadurch empfindlich teurer.
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