AERZTE Steiermark | Oktober 2019
WIRTSCHAFT & ERFOLG 40 ÆRZTE Steiermark || 10|2019 Foto: Shutterstock WALTER HOCH Was Pflanzen der Medizin suspekt macht, sind vor allem die Bakterien. Sie werden auch allgemein negativ as- soziiert: Bakterien leben im Schmutz, machen krank und verderben das Essen. Sie sind sowohl in Pflanzen als auch in der Erde reichlich vor- handen: 1 Gramm trockener Erde enthält ca. 10 Milliar- den Mikroorganismen. Die Wechselwirkungen zwischen ihnen und den Pflanzen sind komplex, sie erfolgen per Aus- tausch von Signalmolekülen und Stoffwechselprodukten. ForscherInnen sprechen sa- lopp vomMikroben-Cocktail. Die meisten Bakterien sind für Pflanzen und Menschen freilich harmlos, viele sogar gesundheitsfördernd. Humaninfektion Die größte Gefahr lauert in der Humaninfektion von Pflanzen. Ihr primärer Krankheitserreger ist die Bak- terie Pseudomonas aerugino- sa, die in Pflanzen zu einer Art Moderfäule führt. Die Infektionsrate ist zwar von vorneherein äußerst gering, so beträgt sie bei schwer kran- ken, hospitalisierten Patienten nur 0,4 %. Befallen werden kann nahezu jedes Gewebe eines stark immungeschwäch- ten Menschen. Die Symptome variieren von Harnwegsin- fektionen, Dermatitis über Magen-Darm-Infektionen bis systemischen Erkrankungen. Außerdem ist das Bakterium z u - n e h - mend g e g e n A n t i - b i o t i k a resistent. Und: Es gibt natürlich auch viele Pflanzen – manche da- von sogar wunderschön an- zusehen, die aber leicht bis zu extrem giftig sein können. Bei den an sich giftigen Pflanzen, denen Menschen nahekom- men können, ist insbesondere vor der Familie der Wolfs- milchgewächse zu warnen. Im Behandlungszimmer komplett verboten Pflanzen stellen in Behand- lungsräumen aus vielfältigen Gründen (z. B. Allergien, möglicher Schädlings- oder Schimmelbefall) ein gesund- heitliches oder hy- gienisches R i s i k o da r (wa s b e k a n n t e r - maßen auch für alle Tiere gilt). Dennoch war es längere Zeit umstritten, ob Pflanzen in einer Ordination aufgestellt werden dürfen. Die Qualitäts- sicherungsverordnung 2012 und die Hygieneverordnung 2014 schufen hier klare Re- geln: Im Behandlungsraum dürfen weder Pflanzen noch Schnittblumen aufgestellt werden. Im Falle einer be- ratenden Tätigkeit ist es im Warte- und Beratungszimmer sowie bei der Anmeldung er- laubt, Hydrokulturen, Pflan- zen mit Granulat und Schnitt- blumen bei entsprechender Pflege inklusive Entstaubung aufzustellen. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass Blumen bzw. Pflanzen ausgewiesene Sympathieträ- ger sind. Sie bereichern die Atmosphäre, machen gute Laune, fördern das Wohl- befinden, ihr Grün hat eine positive Wirkung auf Körper und Seele. Mit einem Wort: Pflanzen geben einem Raum Charakter und Charme. Nebenbei „schlucken“ sie Schall, was bei mancher lau- ter Äußerung von Kindern wohltut, oder allfällig schril- le Klagen von PatientInnen etwas mildert. Dazu kom- men elementare ökologische Benefits: Pflanzen erhöhen die Luftfeuchtigkeit, spenden Sauerstoff, binden Feinstaub und filtern Schadstoffe aus der zum Teil abgestandenen Luft eines Wartezimmers. Lieblingspflanzen aus nah und fern Ein Wermutstropfen bei der Wahl der Pflanze ist die Tat- sache, dass viele beliebte Zim- merpflanzen auch giftig sind. Doch im Normalfall wird kein Patient an einer Pflanze na- schen, bei Kinderecken sieht das aber anders aus! Topf- pflanzen mit Erdkultur sind zwar nicht verboten, dennoch wird eher davon abgeraten. Trockengestecke sind fleißige Staubsammler, dieser muss öfter entfernt werden. Mit einem Gummibaum und sei- nen kräftigen tiefgrünen Blät- tern kann die Ärztin/der Arzt kaum schiefliegen. Bevor ein Pflanzen in der Ordination Wer nach den schönen Farben des September und Oktober dem Grau von November und Dezember vorbeugen will, wird sich überlegen, einige erfrischende, farbige Pflanzen in die Or- dination zu stellen. Darf Arzt/Ärztin das?
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