AERZTE Steiermark | Oktober 2019

ÆRZTE Steiermark  || 10|2019 45 NEWS Fotos: Shutterstock, Schiffer, Gesundheitsfonds Steiermark Wenn die Freude am Essen schwindet Weniger Antrieb zum Kochen, ein schwindendes Geschmacksempfinden und Zahnprobleme: Die gesunde Ernährung älterer Menschen fordert auf eigene Weise heraus. Der Gesundheitsfonds Steiermark hat eine Studie dazu präsentiert. Esst mehr Gemüse! Dieser Aufruf könnte aus jeder belie- bigen Ernährungsempfehlung stammen, vom abgestillten Baby bis zum Hochaltrigen. Dass aber nur vier Prozent der steirischen Bevölkerung ab 65 Jahren die empfohlene Tages- dosis an Gemüse essen, ist ein alarmierendes Teilergebnis des Berichtes „Ernährung äl- terer Menschen in der Steier- mark“, den die EPIG GmbH kürzlich für den Gesund- heitsfonds Steiermark erstellt hat. Ein Drittel konsumiert die angeratene Obstmenge. Fast jeder vierte Steirer und rund 13 Prozent der Steire- rinnen essen täglich Fleisch und/oder Wurst. Beim Alko- holkonsum liegt der Durch- schnittsmann ab 65 mit 30,6 Gramm Reinalkohol pro Tag deutlich über der Harmlosig- keitsgrenze von 24 Gramm, Frauen bleiben klar unter ih- rem Limit. Protein in Portionen Stoffwechsel-Experte Her- mann Toplak betrachtet stets den Gesamtkontext von Er- nährung, Bewegung, Sauer- stoffaufnahme und Kreislauf. Mehr Gemüse würde auch er gerne auf die Teller der alten Menschen bringen, weniger Fleisch nicht unbedingt. In puncto Fleischkonsum gibt er zu bedenken, dass gerade die qualitativ hochwertige Proteinversorgung in den spä- teren Lebensjahren nicht ganz einfach sei: „Alte Menschen können nicht mehr als 30 Gramm Eiweiß pro Mahlzeit resorbieren, das heißt für je- manden mit 70 Kilogramm Körpergewicht, dass er täg- lich mindestens zwei protein­ reiche Mahlzeiten benötigt – für sein Immunsystem und den Erhalt der Muskelmas- se.“ Dass der Großteil der 61 ebenfalls für die Studie be- fragten Essenszustelldienste angibt, „fleischhaltige Haus- mannskost“ auszuliefern, sieht Toplak daher nicht von vornherein negativ. „Wenn es sich um mageres Fleisch handelt …“ Mager ist auch deshalb zu betonen, weil nur gut 48 % der älteren SteirerInnen als nor- malgewichtig gelten (BMI < 27 nach den ESPEN-Guidelines). Jeweils rund 19 Prozent sind übergewichtig oder adipös, 14 Prozent untergewichtig und/ oder weisen Risikofaktoren für Mangelernährung auf (auch bei Normalgewicht). Generell sieht Toplak die Gefahr im zu einseitigen Essen, weil sich alleinstehende alte Menschen eher selten abwechslungsreich bekochen. „Viel zu wenig diskutiert wird auch die Zahnqualität.“ „Vor- verdautes“, wie Toplak die weiche und breiige Nahrung nennt, die bei schlechtem Zahnstatus gegessen wird, fördere durch oftmals hohen glykämischen Index die Ent- stehung eines Typ 2 Diabetes. Nicht nur den Zahnersatz, auch die chronische Parodon- titis sieht er als Risikofaktor. Dem Thema Zahngesundheit widmet sich die Studie nur mit einem Verweis auf die Ös- terreichische Hochaltrigen- Studie aus dem Jahr 2015, die eine Korrelation zwischen Zahnstatus und Allgemeinzu- stand belegt. Bewegung macht Appetit Ein ebenso wichtiger Baustein zur Lebensverlängerung ist der Erhalt der Körperfitness durch Bewegung – und Bewegung macht Appetit. Auch dazu sind die Zahlen der Ernährungs- studie ernüchternd: Fast 45 Prozent der Über-65-Jährigen bewegen sich weniger als 75 Minuten pro Woche. Manch- mal, so Toplak, könnten alte Menschen auch erst wieder körperlich aktiv werden, wenn sie zuvor mit eiweißreicher Trinknahrung „aufgepäppelt“ würden. Auch Schluckschwie- rigkeiten und Appetitlosigkeit als Nebenwirkung von Medi- kamenten stellen Risikofak- toren für eine Mangelernäh- rung im Alter dar. Eine besondere Situation er- gibt sich in Heimen und Spi- tälern, wo die Bewohner nur mehr eingeschränkte Ein- flussmöglichkeiten auf ihre Ernährung haben: die Wahl zwischen Menüs und die Frei- heit, nicht alles, was auf den Teller kommt, zu essen. Dazu hat die Ernährungsstu- die erfasst, inwieweit die Min- deststandards für die Verkös­ tigung in Heimen schon ein- gehalten werden: Bei mehr als zwei Menülinien bieten mehr als die Hälfte der Heime täg- lich ein vegetarisches Menü, mindestens dreimal wöchent- lich ein warmes Abendessen und diätisch ergänzte Kost gibt es nahezu überall, mit DiätologInnen abgestimmt wird das Angebot erst in einem Drittel der Heime. Neue Studie zur Ernährung Älterer: Mehr Gemüse, sagt auch Experte Toplak – aber nicht weniger Fleisch.

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