AERZTE Steiermark | November 2019

Bereich Ærzte Steiermark  || 11|2019 7 „Nach einer Krebserkrankung, einem Schlaganfall oder Herzin- farkt sind die Überlebenschancen nirgendwo auf der Welt größer als im österreichischen Gesundheitssystem.“ Das sagt nicht ein euphorisierter Arzt, das stellte die Tageszeitung Die Presse in ih- rer Ausgabe zum diesjährigen Nationalfeiertag fest. Ausnahms- weise. Denn üblich sind eher die Negativschlagzeilen. Darüber, dass an jedem Wochenende in der Steiermark an die hundert Ärztinnen und Ärztinnen regelmäßig ganz normal ihre Praxen geöffnet haben, wird weit weniger berichtet als über punktuelle Probleme beim Bereitschaftsdienst. Darüber, dass das österreichische Gesundheitssystem trotzdem weit geringere Kosten verursacht als das deutsche und das in der Schweiz, wird auch nicht viel berichtet. Eher darüber, dass es mehr kostet als das in Lettland oder Bulgarien. Die Feststellung der Europäischen Union, dass in kaum einem Land der Zugang zur Gesundheitsversorgung so gut ist wie in Österreich, bleibt den Ös- terreicherinnen und Österreichern weitgehend verborgen. Schlagzeilen machen weit öfter die düsteren Nachrichten. Wir können uns das leisten, weil die Gesundheitsversorgung in Ös- terreich so gut ist, dass sie durch schlechte Nachrichten nicht so einfach aus der Balance zu bringen ist. Und weil das Vertrauen der Patientinnen und Patienten in diese Gesundheitsversorgung trotz der Dominanz des öffentlichen Bashings ausreichend groß ist. Aber Politik und Medien sollten die Geduld der Menschen nicht überreizen. Auch wir, wir Ärztinnen und Ärzte, neigen dazu, eher die Defizite zu sehen als die positiven Seiten unserer Ge- sundheitsversorgung. Ich will keineswegs dafür plädieren, Nega- tives zu ignorieren. So kann es zu keinen Verbesserungen kom- men. Aber das Positive – und davon gibt es so viel – gar nicht mehr wahrzunehmen oder es zumindest als so selbstverständ- lich zu betrachten, dass darüber nicht mehr gesprochen wird, ist brandgefährlich. Es verzerrt das Bild und ist zutiefst ungerecht gegenüber denen, die diese gute Gesundheitsversorgung jeden einzelnen Tag sicherstellen. Dr. Herwig Lindner ist Präsident der Ärztekammer Steiermark. Fotos: Adobe Stock, Oliver Wolf, Elke Meister, Harry Schiffer, Grafik: Konrad Lindner Wir hatten gerade Nationalratswahlen, Landtags­ wahlen stehen in der Steiermark unmittelbar vor der Tür und Gemeinderatswahlen kommen auch bald. Das sind verständlicherweise Zeiten der politischen Hektik – der ehemalige Wiener Bür- germeister Michael Häupl hat von einer „Zeit fo- kussierter Unintelligenz“ gesprochen, aber so weit wollen wir nicht gehen. Auf ein paar Dinge wäre aber hinzuweisen: Ein großes und reales Problem ist der Ärztemangel, den jetzt auf einmal alle bekämpfen wollen. Auch diejenigen, die vor noch nicht allzu langer Zeit behauptet haben, es gäbe gar keinen. Aber seien wir langmütig: Politikerinnen und Politiker dür- fen dazulernen. Ein Vorschlag, den ich dieser Tage wieder gehört habe, ist die finanzielle Förde- rung von Praxen. Eine sehr gute Idee. Deswegen haben sie die steirische Ärztekammer und die Gebietskrankenkasse auch schon realisiert. Für schwer besetzbare Praxen gibt es längst eine fi- nanzielle Förderung der GKK. Ein zweiter Vorschlag sind Stipendien und sichere Studienplätze für jene, die eine Kassen­ praxis in der Steiermark übernehmen wollen. Diese Idee lässt nur einen wesentlichen Punkt außer Acht: Keine Absolventin, kein Absolvent eines Medizinstudiums kann unmittelbar eine Praxis gründen, zuvor gibt es noch eine Ausbil- dung im Spital und in der Lehrpraxis. Wer also mehr Ärztinnen und Ärzte will, muss in diesem Bereich ansetzen. Und etwas dagegen tun, dass viele ins Ausland gehen (und dann auch dort bleiben). Und noch etwas sehr Wichtiges: Der alleinige Blick auf die Allgemeinmedizin greift zu kurz, vor allem, wenn es darum geht, Spitalsambu- lanzen zu entlasten. Das wird allein mit einer allgemeinmedizinischen „Primär“-Versorgung nicht funktionieren. Dazu ist es notwendig, auch Fachärztinnen und Fachärzte schlüssig einzubin- den. Alles andere wäre billiger Populismus. Vizepräsident Dr. Norbert Meindl ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte. extra Norbert Meindl Versorgung: Fachärzte einbinden! Standortbestimmung Herwig Lindner Gesundheitsversorgung nur schlecht reden, macht krank d batte

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