AERZTE Steiermark | Dezember 2019

42 ÆRZTE Steiermark  || 12|2019 SERVICE 10 Jahre CIRSmedical: Fehler­ kultur ohne blame and shame Das Fehlerberichtssystem CIRSmedical feiert dieser Tage seinen 10. Geburtstag. Im Vorjahr wurde mit durchschnittlich 290 Zugriffen pro Tag der bisherige Nutzer-Rekord erzielt. Die Wurzeln von CIRS, dem Critical Incident Reporting System, liegen in der Luft. Besser gesagt: in der Luftfahrt. Dort wurde ein derartiges System zur Risikoerkennung erstmals etabliert. Ende der 1990er-Jahre adaptierten Schweizer Anästhesisten die Idee für den medizinischen Bereich; im Herbst 2009 führte die Österreichische Ärztekammer die an öster- reichische Verhältnisse an- gepasste Fehlerberichts- und Lernplattform in Koopera- tion mit dem Gesundheits- ministerium hierzulande ein. Mittlerweile nutzen zahl- reiche Organisationen – Spi- täler, Niedergelassene, aber auch Rettungsdienste und die Hauskrankenpflege – das Meldesystem. Im vergange- nen Jahr wurde mit durch- schnittlich 290 Zugriffen pro Tag die bisher stärkste Nut- zung verzeichnet. „Ein echter Lerneffekt ist nur gegeben, wenn ohne Beschö- nigung und Einschränkung berichtet wird, wie es zu dem Fehler oder Beinahe-Fehler gekommen ist“, betonte der Leiter der ÖÄK-Referate für Qualitätssicherung sowie für Leitlinien und Patientensi- cherheit, Artur Wechselber- ger, anlässlich der Pressekon- ferenz zum CIRS-Jubiläum. Daher werden sämtliche Feh- lermeldungen anonymisiert veröffentlicht und kommen- tiert, ohne Schuldzuweisung. Grundidee ist eine Fehlerkul- tur ohne „blame and shame“. ÄrztInnen nutzen fleißig Zahlreiche Websites sind mitt- lerweile mit CIRSmedical ver- linkt, wer einen (Beinahe-)Feh- ler melden möchte, kann aber auch direkt über www.cirsme- dical.at einsteigen. Das Gros der NutzerInnen kommt aus der Ärzteschaft (54 %), gefolgt vom Pflegepersonal (21 %). Eine standardisierte Eingabe- maske sorgt für Struktur und Vollständigkeit der Angaben, die dann an einen Server in Basel weitergeleitet werden. Dort wird die IP-Adresse des Absenders gelöscht, und erst dann bearbeiten Mitarbeiter der Österreichischen Gesell- schaft für Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in der Medizin (ÖQMed) die Meldung. Ausschließlich relevante, voll- ständige und sachlich for- mulierte Berichte aus erster Hand werden dann an CIRS- Expertinnen und -Experten weitergeleitet, etwa an Fach- gruppen oder Rettungsor- ganisationen, aus denen im Anschluss – wieder anony- misiert – ein Kommentar eingeht. In den vergangenen zehn Jahren wurden auf die- sem Weg 649 Berichte und 513 Leserkommentare veröf- fentlicht. Die meisten uner- wünschten Ereignisse wurden von Krankenhaus-Stationen gemeldet, nämlich 43 Prozent. Die Ordinationen folgten mit 16 Prozent. Knackpunkt Kommunikation Nur wenige Meldungen bezie- hen sich auf Kenntnismängel – als kritisch erweist sich immer wieder die Kommunikation. Dabei zeigt sich der Routine- betrieb als fehleranfälliger; im Notfallmanagement sind of- fenbar alle Sinne geschärft. Die Lösungsvorschläge der Mel- denden und die Fachkommen- tare bilden einen Wissenspool, aus dem geschöpft werden kann, um in ähnlichen Situ- ationen besonders wachsam vorgehen zu können. In der Steiermark ist die Nutzung von CIRSmedical weniger verbrei- tet. „Der Nachteil ist, dass hier nicht mit CIRSmedical gear- beitet wird, sondern mit einem Klon. Was leider dazu führt, dass die Fälle aus dem KAGes- eigenen IPS nicht in CIRSme- dical eingepflegt werden“, gibt Ärztekammer-Vizepräsident und Kurienobmann der ange- stellten Ärztinnen und Ärzte, Eiko Meister, zu bedenken. IPS steht für die Initiative Patient­ Innensicherheit des Gesund- heitsfonds Steiermark. Meister selbst liest einmal im Monat neue Reviews aus CIRSmedi- cal, gelegentlich bringt er auch wirklich spannende Fälle. „Für den täglichen Betrieb ist aber die Doppelmeldung sowohl in das KAGes-System als auch in CIRSmedical eher mühsam.“ CIRSmedical wirkt Nach einer CIRS-Meldung über eine Medikamenten- verwechslung hat die Phar- mafirma die Verpackungen besser unterscheidbar gestal- tet. Auch zwei E-Learning- Module der Arztakademie („Medikamentenfehler ver- meiden“ und „Kommunika- tion im Gesundheitswesen“) mit über tausend Absolvent­ Innen wurden in den ver- gangenen beiden Jahren auf häufig über CIRSmedical ge- schilderte Problemstellungen zugeschnitten. In diesem Be- reich erhofft sich Vizeprä- sident Meister noch mehr Initiative: „Was mir eigentlich fehlt, sind spezifische Fortbil- dungen, die sich aus CIRS- medical ergeben. Ich denke, dass hier der Datensatz schon ausreichend ist.“ „Was mir eigentlich fehlt, sind spezifi­ sche Fortbildungen, die sich aus CIRS­ medical ergeben. Ich denke, dass hier der Datensatz schon ausreichend ist.“ Eiko Meister Foto: Elke Meister

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