AERZTE Steiermark | Dezember 2019

BEREICH ÆRZTE Steiermark  || 12|2019 7 Im Jahr 2018 sind laut Weltgesundheitsorganisation mehr als 140.000 Menschen weltweit an Masern gestorben, obwohl es eine sichere Impfung gibt. In vier europäische Länder – Albanien, Griechenland, Großbritannien und Tschechien – sind die Ma- sern zurückgekommen, obwohl es eine sichere Impfung gibt. In sehr armen Ländern fehlt den Menschen der Zugang zur Imp- fung. Dort gibt es deswegen auch keine Impfpflicht-Debatte, son- dern nur die Frage, wie den Menschen, vor allem den Kindern, Zugang zu dieser und anderen wichtigen Impfungen gegeben werden kann. In Österreich können wir uns dagegen eine Impfpflicht-Debatte leisten. Weil dank des gut funktio­ nierenden Impfwesens doch ein erheblicher Teil geimpft ist. Und weil Impfverweigerer sich darauf verlassen können, dass ihre kran- ken Kinder in einem der besten Gesundheitssysteme der Welt aufopferungsvoll von exzellenten Ärztinnen und Ärzten betreut werden. Was diese Impfverweigerer aber leider ignorieren: Sie nehmen sich nicht nur selbst die Freiheit, das Impfen abzulehnen. Sie nehmen auch vielen anderen, die vielleicht noch zu jung zum Impfen sind, die Sicherheit, nicht angesteckt zu werden. Impf- verweigerung ist also nackter Egoismus. Die Forderung, dass sie zumindest die wirtschaftlichen Konse- quenzen ihres Handelns tragen sollten, wurde als „radikal“ be- zeichnet. Aber ist es wirklich radikal, wenn jemand für die Frei- heit, die er sich anmaßt, auch die Folgen zu verantworten hat? Ich glaube nicht. Ich wünschte mir, dass wir keine Impfpflicht brauchen, weil alle das Angebot der Impfung annehmen. Das ist aber leider nicht so. Es fehlen einige Prozente, damit wir uns in Österreich wirklich sicher fühlen können. Obwohl die über- wiegende Mehrheit von den Impfungen überzeugt ist. Hören wir endlich auf, die Freiheit weniger, alle gefährden zu dürfen, höher zu schätzen als die Sicherheit aller, sich nicht mit gefährlichen Krankheiten infizieren zu müssen. Pflicht oder Information? Diesen Gegensatz gibt es nicht. Wir brauchen beides. Nur so gibt es sichere Gesundheit. Dr. Herwig Lindner ist Präsident der Ärztekammer Steiermark. Fotos: Oliver Wolf, Elke Meister, Harry Schiffer, Beigestelt. Grafik: Konrad Lindner Ab 1. Jänner 2020 werden die Krankenkassen fusionieren. Aus neun Gebietskrankenkassen wird die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK), die Krankenversicherungen der Gewer- betreibenden und der Bauern schließen sich zur Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen (SVS) zusammen, aus BVA und VAEB wird die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Ei- senbahnen und Bergbau (mit der langen Abkür- zung BVAEB). Die Werbung suggeriert, dass von einem Tag zum anderen alles anders wird. „Ein Schalter wird umgelegt“, so das Bild in manchen Medien. Das ist natürlich nicht (ganz) so. Es beginnt ein mehrjähriger Prozess des Zusammenrückens. Dennoch sind manche Ergebnisse gleich greifbar. Die SVS etwa hat einen einzigen Leistungska- talog, allerdings werden die SVB-Tarife Schritt für Schritt an die SVA-Tarife herangeführt. Die monatliche Abrechnung der SVA gilt aber ab sofort. Es wird also für die Ärztinnen und Ärzte – aber auch die Versicherten – sofort besser, aber es wird nicht alles vom ersten Tag an perfekt sein. Viele offene Fragen gibt es insbesondere bei der großen ÖGK. Mit der SVS und der BVAEB konnten dagegen bereits sehr konkrete Vereinba- rungen abgeschlossen werden. Anderes Thema: „Anstellung Arzt beim Arzt“ in der Kassenpraxis. Für manche ist das kaum von Bedeutung, für andere ist es extrem wichtig. Wir bemühen uns jedenfalls um eine saubere und nachhaltige Lösung. Schnell ist nicht unbedingt gut, auch wenn die Ungeduld mancher zu verste- hen ist. Und noch ein Thema beschäftigt uns: die Frage der Hausapotheken. Die Vertreter der öffentli- chen Apotheken tun ja so, als ob ärztliche Haus- apotheken deren Untergang bedeuten würden. Experten sehen das völlig anders. Also spricht nichts gegen ein gutes Miteinander im Sinne der Versorgung unserer Patientinnen und Patienten. Vizepräsident Dr. Norbert Meindl ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte. EXTRA Norbert Meindl Hausapotheken für die Menschen STANDORTBESTIMMUNG Herwig Lindner Information und Impfpflicht sind kein Widerspruch D BATTE