AERZTE Steiermark | Februar 2020
46 ÆRZTE Steiermark || 02|2020 NIEDERGELASSENE ÄRZTINNEN & ÄRZTE Foto: Stelzl, Fotolia Der ganz normale Praxiswahnsinn PRAKTISCH TÄGLICH Von Ulrike Stelzl „Das macht der Hausarzt“ Was macht der Hausarzt eigentlich? Entgegen der weitverbrei- teten Meinung findet man uns nicht nach wonnigen zwanzig Wochenstunden am Golfplatz, auf der Schihütte oder am Pool. Was der Hausarzt wirklich macht, ist, möglichst flächendeckend alle möglichen und unmöglichen Leiden zu versorgen. Und das im Akkord und oftmals mit einer Patientenfrequenz, bei der einem schwindlig wird. Und wenn der Hausarzt dann am Abend müde und erschöpft an seinem/ihrem Schreibtisch sitzt, nachdem er oder sie siebzig Leute behandelt hat, ist es für Schihütte oder Golfplatz längst zu finster. Aber er oder sie darf noch nicht heim in die Badewanne. Denn jetzt kommt der Stapel mit Allfälligem. Als Erstes eine Auskunft für eine Zusatzversicherung. Gewünscht werden sämtliche Fachbefunde, alle Anamnesen, die gesamte Kartei der letzten fünf Jahre und die Adressen und Telefonnum- mern aller weiteren Behandler. Dazu noch zwei Seiten Gesund- heitsfragen. Ich fülle alle Formulare aus, drucke 27 Seiten Befunde und schreibe die kollegialen Kontaktdaten dazu. Dann vermerke ich: Wenn Sie noch mehr Anamnese wollen, fragen Sie bitte die Patientin selber und einen Ausdruck der Kartei gibt’s nicht. In vielen meiner Karteien gibt es eine Rubrik mit Anmerkungen, die nur die Patienten und mich was angehen. Sonst niemanden. Mit einem Papierstapel von einem Zentimeter Dicke schlurfe ich in die Rezeption, damit meine Assistentin das Konglome- rat abschicken kann. Portofreies Rückkuvert: C6 (das normale, kleine). Vielleicht lerne ich zaubern? Dann will ein Arztbrief, dass ich morgen das Blutbild einer Patientin kontrolliere und telefonisch mitteile. Kein Ansprechpartner, keine Durchwahl. Also Patientin anrufen, morgen cito Blutbild abnehmen, dann Labor anrufen und dann telefonisch durch die Vermittlung und danach durch die Abteilung irren auf der zeitraubenden Suche nach diesem Gegenüber, das die Werte so dringend be- nötigt. Einer anderen Abteilung reicht die Zuweisung inklusive Vorbefunden einer Patientin mit juveniler CP, akutem Schub und großem Leidensdruck nicht. Ich muss morgen zwischen 15.00 und 15.30 Uhr anrufen und mit Argumenten überzeugen. Was außer Schmerz und Gelenkzerstörung sollte mir noch einfallen? Danach finde ich den OP-Frage- und Aufklärungsbogen eines jungen Patienten. Den hat er dagelassen. Denn im Krankenhaus hieß es, der Hausarzt füllt das aus. Vier oder sechs Seiten Kram, den der Patient gut selber weiß. Der Hausarzt macht ja schon. Nur: Wenn das so weitergeht, macht euch keiner mehr den Hausarzt! Dr. Ulrike Stelzl ist niedergelassene Ärztin für Allgemein medizin. Mehr von ihr gibt es im Buch „Hallo Doc! 2 Der ganz normale Praxiswahnsinn“ (erhältlich bei Amazon) Tipps für die Bewerbung um eine Nachfolgepraxis. Per Nachfolge zur Kassenordi In den quartalsweisen Aus- schreibungen der Kassen- planstellen unterscheidet man zwischen der Ausschreibung der Planstellen als Einzelver- trag oder als Nachfolgepraxis. Im Unterschied zu ausge- schriebenen Einzelverträgen kann der Praxisübergeber bei Nachfolgepraxen vorerst nur mit der punktebesten Be- werberin/dem punktebesten Bewerber nach Beschlussfas- sung in den Gremien der Ärztekammer und der Öster- reichischen Gesundheitskas- se Verhandlungen über die Übernahme führen. Sollte es zu keiner Einigung kommen, kann der Nieder- lassungsausschuss für einen Vermittlungsversuch angeru- fen werden. In diesem Nie- derlassungsausschuss kön- nen dann Übergeber und Übernehmer ihre Gründe für das Nichtzu- s t a ndekom- me n d e r E i n i g u n g s ch i lde r n und der Ausschuss versucht zu vermitteln. Kommt dabei kein Einvernehmen zustande, ist die Übergabepraxis als been- det anzusehen und die Praxis kann in der bisherigen Form weiter betrieben werden. Die neuerliche Ausschreibung als Nachfolgepraxis ist in diesem Fall erst nach Ablauf von 2 Jahren möglich. Hier ist auf die Altersgrenze für Ver- tragsärzte zu achten. Stellt der Niederlassungsaus- schuss fest, dass die Nichther- stellung des Einvernehmens nicht im Einflussbereich des Übergebers liegt, tritt der nächste Bewerber an die Stelle des punktebesten Bewerbers. Gibt es keine weiteren Be- werber, kann die neuerliche Ausschreibung der Nachfolge- praxis beantragt werden. Wir empfehlen allen Bewer- berinnen und Bewerbern um Nachfolgepraxen unbedingt mit dem Pra x isübergeber vor einer Bewer- bung Kontakt aufzunehmen um zu klären, ob die persön- lichen und die finanziellen Vo- rausset zungen gegeben si nd. Eine Anrufung des Niederlassungs- ausschusses f üh r t zu Ve r z ö g e - rungen bei der Nach- besetzung.
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy NDYwNjU=