AERZTE Steiermark | März 2020
BEREICH ÆRZTE Steiermark || 03|2020 7 Als diese Zeilen geschrieben wurden, hatte die WHO noch keine zwei Dutzend Todesfälle im Zusammenhang mit dem „neuen Corona-Virus“ COVID-19 gemeldet. Jeder Tote ist schrecklich, das steht außer Frage. Aber (wieder eine WHO-Zahl) pro Jahr sterben weltweit eine Viertel- bis eine halbe Million Menschen an den Folgen der Influenza. Allein in Österreich waren es 2019 mehr als 1.000 (und es gab schon weit schlimmere Jahre). Wir wissen, dass sich nur rund acht Prozent der Österreiche- rinnen und Österreicher gegen Grippe impfen lassen, obwohl diese Impfung einen ziem- lich guten Schutz bietet. Aber um die Grippe wird öf- fentlich nicht viel Aufhebens gemacht. Da werden keine Großereignisse abgesagt, es werden keine Züge gestoppt, es gibt keine Polizeiaufge- bote, die ganze Städte ab- riegeln, es wird kein Spital aus dem Boden gestampft. Niemand ruft nach dem Mi- litär. Die „Grippe“ müssen Ärztinnen und Ärzte in der Niederlassung und im Spital ganz ohne öffentliche Aufmerksam- keit und politischen Aktionismus bekämpfen. Der COVID-19-Schock dagegen setzt eine Welle solcher Maß- nahmen in Gang. Niemand fragt nach den Kosten für die Gesundheitsversorgung und die Wirtschaft. Selbst massive Konjunktureinbrüche werden ohne großes Aufsehen in Kauf genommen. Das kann man als bizarr und unangemessen anprangern. Das tue ich jetzt aber nicht. Wir sollten eine andere Lehre daraus ziehen: Wenn die Angst groß genug ist, dann ist genug Geld für die Gesundheitsversorgung vorhanden. Die Angst vor COVID-19 ist ganz offenbar groß genug. Beruhigende Appelle gibt es zwar, sie zeigen aber kaum Wirkung. Die finanzielle „Großzügigkeit“, die angesichts der Corona-Angst Platz gegriffen hat, müssen wir auch in anderen Bereichen for- dern, wo das Geld zumindest gleich gut investiert ist. Es ist die verdammte Pflicht einer gestaltenden Politik, nicht zwischen Ak- tionismus und Lethargie hin- und herzuspringen. Dr. Herwig Lindner ist Präsident der Ärztekammer Steiermark. Fotos: Oliver Wolf, Elke Meister, Grafik: Konrad Lindner Dank der Fusion der Gebietskrankenkassen soll alles viel besser werden – für die Patientinnen und Patienten, aber auch für die Vertragspart- nerinnen und Vertragspartner. Das wurde zwei Jahre hindurch getrommelt. Widerspruch gab es wenig, zumindest wurde er kaum öffentlich the- matisiert. Das hat sich erst im Februar dieses Jahres drama- tisch verändert. Die Aussage von ÖGK-General- direktor Bernhard Wurzer, die ÖGK habe in den kommenden fünf Jahren einen Abgang von 1,7 Milliarden Euro zu gewärtigen, die Erhöhungen der Ärztehonorare müssten entsprechend niedrig ausfallen und für die Patientinnen und Patienten dürfe sich – nur – nichts verschlechtern, schlug wie eine Bombe ein. Patientenmilliarde aus Einsparungen in der Ver- waltung? Umfassende Anpassungen der Leistun- gen (und Honorare) an die jeweils beste Bundes- länderstruktur? Stärkung der Allgemeinmedizin (von Fachärztinnen und Fachärzten gar nicht zu reden)? Plötzlich ist all das kein Thema mehr. Dass die Kassenfusion nicht unmittelbar zu ge- waltigen synergiebedingten Einsparungen führen wird, hat ja schon die Präsidentin des Bundes- rechnungshofs im Jahr 2018 kritisiert. Eines muss aber klar sein. Alles billiger und alles besser funktioniert nicht. Das „reiche“ Österreich investiert weniger Geld in die Gesundheit seiner Bürgerinnen und Bürger als Deutschland und die Schweiz. Die „Patientenmilliarde“ wird es vielleicht nicht aus der Kassenfusionierung heraus geben kön- nen. Sie ist aber ein politisches Versprechen. Es ist hoch an der Zeit, dass die Politik klare Worte dazu findet. Sonst ist die Kassenreform geschei- tert. Und das wird die Politik ja kaum wollen. Also haltet Eure Versprechen. Vizepräsident Dr. Norbert Meindl ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte. EXTRA Norbert Meindl Her mit der „Patientenmilliarde“ STANDORTBESTIMMUNG Herwig Lindner Nicht zwischen Aktionismus und Lethargie D BATTE
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy NDYwNjU=