AERZTE Steiermark | April 2020

26 ÆRZTE Steiermark  || 04|2020 FORTBILDUNG Ruhig bleiben, wenn der Patient auszuckt Was tun, wenn Patientinnen und Patienten losbrüllen oder tätlich angrei- fen? Bei Gernot Riedl kann man lernen, wie man Aggressionsausbrüche verhindert oder im Ernstfall besonnen reagiert. Die für die „Seminare im März“ dazu geplante Fortbildungsveranstaltung musste entfallen. oder eine Kollegin anwesend ist. Man sollte sich auch in- formieren, wer konkret zur selben Zeit Dienst hat, um abschätzen zu können, welche Art von Hilfe von dieser Per- son zu erwarten ist. Nicht zu übersehen ist der Faktor Zeit: Selbst wenn beispielsweise in der Peripherie des Grazer Klinikums eine Polizeistation situiert ist, kommt meist erst nach einer (guten) Viertel- stunde im Anschluss an den Notruf jemand in die entspre- chende Krankenhausabtei- lung. Und die eingelangten Polizisten warten dann oft noch auf das Einsatzkom- mando. Bedacht werden muss also zudem, wer RECHTZEI- TIG eingreifen kann. Auch in Arztordinationen sind präventive Maßnahmen möglich: Zum Beispiel die Gestaltung des Behandlungs- raums mit Distanz schaf- fenden Möbelstücken und einem zweiten Ausgang. „Die Grundregel lautet, alles was spitz, scharf oder zerbrechlich ist, konsequent außer Reich- weite der Patienten zu lagern“, erklärt Riedl. Aufmerksamkeit schenken Wird jemand im Wartebe- reich schon unruhig, emp- fiehlt es sich, zu zweit zu ihm zu gehen. Wer allein unter- wegs sein muss, sollte einen Kollegen oder eine Kollegin darüber informieren, wohin er oder sie geht und ab wann Nachschau gehalten werden sollte. In seinen Seminaren rät Riedl, die Körpersprache der Patienten bewusst wahr- zunehmen: Wer sitzt schon verkrampft da, wer springt auf, sobald jemand vom Kranken- hauspersonal den Raum quert, wer schmeißt die Tür schon zu, wenn er von der Toilette kommt? Da lässt sich ein Teil der Frustration, die schnell in Aggression umschlägt, mit einer genaueren Information über Länge und Gründe der Wartezeit abfangen – oder mit dem Angebot eines Pappbe- chers (nicht Glases!) Wasser. Jedenfalls mit Aufmerksam- keit. Noch immer verstehen nur wenige Wartende das Prinzip, die Patienten nach Schwere der Erkrankung oder Verletzung zu versorgen, und regen sich über die Nichtein- haltung der Reihenfolge des Eintreffens auf. Aus den Erzählungen seiner Seminarteilnehmer, aber auch aus der privaten Erfahrung, bejaht Riedl die Frage ein- deutig, ob sich die fordernde Haltung von Patientinnen und Patienten in den vergangenen Jahren verstärkt habe. „Viele bestehen darauf, sofort behan- delt zu werden, dieses Medika- ment oder jene Untersuchung zu erhalten, die Dr. Google vorgeschlagen hat, und das alles ohne Verzögerung – in durchaus unhöflichenWorten“, so Riedl. „In Wechselwirkung derndem Patientenverhalten erarbeitet werden. Dringend rät er dazu, Warnhinweise schon vor einer möglichen Eskalation zu registrieren und rechtzeitig Hilfe zu holen. „So wie es in jedem Krankenhaus einen Ablaufplan für den Brandfall gibt, sollte es auch Pläne für den Umgang mit aggressiven Patienten geben.“ Diese variieren wiederum je nach den Gegebenheiten im Spital oder der Ordination, von bereits installierten Not- rufsystemen am Freeset oder einem stillen Lichtalarm über den Schwesternruf, von den Distanzen zu hilfsbereiten Kolleginnen und Kollegen, aber auch von den räum- lichen Voraussetzungen. Gibt es eine Hintertür aus dem Besprechungszimmer, bildet ein breiter Schreib- tisch eine Barriere zu einer Tobenden, kann ich in einen Bereich flüchten, der nur mit Schlüssel oder Magnetkarte zugänglich ist? Wer neu in die Abteilung oder Praxis kommt, muss diese Bereiche proaktiv gezeigt bekommen; das ange- stammte Personal sollte sich die Fluchtwege immer wieder einmal in Erinnerung rufen und nach einem Umbau neu trainieren. Faktor Zeit – und Raum Notfallpläne sollten unbe- dingt zu Ende gedacht wer- den: Es reicht nicht zu wissen, dass irgendwo ein Kollege Gerade noch ist der Patient auf dem Sessel links vom Behandlungszimmer bloß vor sich hinstarrend dagesessen. Vielleicht schon etwas ange- spannt. Plötzlich ist er auf- gesprungen, hat den Sessel durch den Raum geschleudert und das Pflegepersonal un- flätig beschimpft. Stein des Anstoßes: die Wartezeit. Und warum der depperte Sandler früher drangekommen ist als er, der brave Steuerzahler, der schon seit zwei Stunden wartet. Schon packt er die vorbeigehende Turnusärztin am Oberarm … Egal ob man die Szene im ärztlichen Alltag bereits erlebt hat oder ob sie Albträumen entspringt: Es hilft, sich auf mögliche ag- gressive Ausbrüche von Pati- entinnen und Patienten sowie deren Angehörigen vorzube- reiten. Wer sich dessen be- wusst ist, dass solche Szenen in Krankenhäusern wie Or- dinationen auch wirklich vor- kommen, schützt sich aktiver vor dem (oder im) Ernstfall. Und zumeist frühzeitig. Notfallplan und Fluchtweg „Wichtig ist es sämtliche Mög- lichkeiten, zu flüchten, Hilfe zu holen und sich selbst zu schützen, zu kennen“, erklärt Gernot Riedl. Er ist Jurist, Mediator und Karatetrainer und leitet seit nunmehr 15 Jahren Kurse für Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte, in de- nen Strategien bei herausfor- Foto: Shutterstock

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