AERZTE Steiermark | April 2020

ÆRZTE Steiermark  || 04|2020 43 NIEDERGELASSENE ÄRZTINNEN UND ÄRZTE Foto: Stelzl, Fotolia Der ganz normale Praxiswahnsinn PRAKTISCH TÄGLICH Von Ulrike Stelzl Ein Spezialist muss her Heutzutage muss es offenbar für alles einen Spezialisten geben. Und der oder die ist auf jeden Fall der oder die einzige, der oder die etwas Bestimmtes kann und richtig macht. Deshalb kann nicht einfach ein normaler Kellner einen Kaffee machen, dafür braucht es schon einen Barista und selbst das Biertrinken geht leichter, wenn es von einem Biersommelier geführt wird (ja, sowas gibt’s wirklich, auch wenn ich das nicht glauben konnte. Allerdings mag ich kein Bier und kann mir nur sehr schwer vor- stellen, dass sich jemand in die Wissenschaft des pinkelgelben Schaumgetränks vertiefen möchte). Im medizinischen Bereich sind wir mittlerweile so weit, dass einem als Allgemeinmediziner schon die Sechzehnjährigen mit mitleidigem Blick von oben herab erklären, dass man sich gar nicht näher um sie bemühen müsste, so als gemeiner Mediziner. Maximal könnte man eine Überweisung zum Spezialisten aus- stellen. Denn nur der Spezialist weiß alles und gibt Sicherheit. Beziehungsweise krieg ich in manchen Fällen das Gefühl, dass nur der Spezialist gerade noch gut genug ist. Was die Leute gerne vergessen, ist, dass auch der Spezialist eine Kehrseite hat. Denn der hat meist nicht das gesamte „Know-how“ des Allgemeinmediziners plus sein Spezialwissen als Krönung oben drauf. Der hat nur sein Spezialwissen und nicht viel Allgemein- medizinisches darüber hinaus. Ist ja auch nicht nötig. Deshalb steht und fällt seine Effektivität mit der Zuweisung. Und wenn sich also so ein „Google-gelehrter-klüger-als-der-Praktiker- Patient“ zum falschen Spezialisten zuweist, werden die beiden nie auf einen grünen Zweig kommen. Oder er wird von einem Spezialisten zum nächsten und zum übernächsten geschickt. Und keiner weiß, was der andere tut, und manchmal würde nicht mal das Wissen zum Verständnis helfen. Es würde wirklich Sinn machen, wenn wir Allgemeinmediziner die Patienten als Erstes in die Finger kriegten. Viele können wir nämlich tatsächlich sogar selbst behandeln. Und die anderen landen dann wenigstens beim richtigen Spezialisten. Wir sind die ersten Ansprechpartner. Über unserem Notfallplan in der Praxis prangt mit dicken Buchstaben: Erster Schritt: Doktor rufen! Das passiert jetzt allerdings auch, wenn der Staubsau- gerbeutel voll, das Kopierpapier ausgegangen und die Toilette verstopft ist. Ich glaube, wir werden in den nächsten Tagen einmal klären müssen, dass der Allgemeinmediziner doch nicht alles kann. Dr. Ulrike Stelzl ist niedergelassene Ärztin für Allgemein­ medizin. Mehr von ihr gibt es im Buch „Hallo Doc! 2 Der ganz normale Praxiswahnsinn“ (erhältlich bei Amazon) zudenken, welche ärztlichen Leistungen telemedizinisch angeboten werden können. So einfach wie möglich Mehrere Anbieter haben sich des Themas angenommen und bieten Telemedizin-Tools an. Aber neben der Sicherheit gibt es natürlich noch ein wichtiges Thema: Für die teils wenig technikaffinen Patien- tinnen und Patienten, die oft auch nicht mit der erforder- lichen IT-Infrastruktur aus- gestattet sind, soll „Teleme- dizin“ bewältigbar sein, auch im Zustand der Krankheit. Nur ein Gerät haben (prak- tisch) alle: ihr Telefon, vom Festnetzanschluss bis zum Smartphone … Wird es Telemedizin auch nach COVID-19 geben? Der Kurienobmann der nieder- gelassenen Ärztinnen und Ärzte, Vizepräsident Norbert Meindl, ist vorsichtig optimi- stisch: „Jetzt sind verständ- licherweise viele Standards außer Kraft gesetzt. Aber mit- telfristig werden Qualität, Si- cherheit und Datenschutz na- türlich zu gewährleisten sein. Das brauchen Ärztinnen und Ärzte genauso wie Patien- tinnen und Patienten.“ Dazu brauche es stabile rechtliche, vertragliche und technische Rahmenbedingungen. Norbert Meindl: Nach COVID-19 braucht es stabile rechtliche, vertragliche und technische Rahmen- bedingungen für die Telemedizin. Ärztinnen/ Ärzte und die Telemedizin: einige Beispiele für „Corona- virus-Infor- mationen“ auf Ordinations- Websites. Aber auch viele, die ihre Website nicht verändert haben oder gar keine Website nutzen, bieten Telemedizin an. Den Pati- entinnen und Patienten wird empfohlen, ein- fach anzurufen.

RkJQdWJsaXNoZXIy NDYwNjU=