AERZTE Steiermark | April 2020
BEREICH ÆRZTE Steiermark || 04|2020 7 Ärztinnen und Ärzte haben es nicht nötig, sich als Heldinnen und Helden feiern zu lassen. Auch – oder sogar ganz besonders – während dieses weltweiten Ausnahmezustandes. Sie sind einfach da und tun ihren Job. Sie kennen natürlich die Gefahr auch für sich selbst – viel besser als andere. Einigen wenigen ist das nicht sympathisch. Auch in der größten Krise hacken sie auf die Ärzte hin, behaupten Dinge, die nicht stimmen – nach dem Motto „irgendwas wird schon hängenblei- ben“. Aber das kann uns nicht beeindrucken. Wir wissen, was wir können. Und wir wis- sen, was wir zu tun haben. Wir haben keine Zeit, uns um diese Querschüsse zu kümmern, wir kümmern uns um unsere Patientinnen und Patienten. Nicht nur um die, die (vielleicht) mit dem neuen Coronavirus infiziert sind, sondern auch um die vielen, vielen anderen. Neben den ewigen Ärzte kritikern gibt es auch die, die von einem Gesundheitssystem träumen, in dem die Ärz- tinnen und Ärzte nicht vorkommen. Da werden so abstrakte Begriffe wie Gesundheitsdiensteanbieter oder Standardversor- gungseinheiten verwendet – am besten abgekürzt als GDA oder SVE –, um die Worte Ärztin oder Arzt nicht in den Mund neh- men zu müssen. Klar, in der abstrakten Planung sind eine Ärztin oder ein Arzt lästig. Denn sie bringen die Realität ein. Sie wissen, dass Pati- entinnen und Patienten Menschen sind – und keine statistische Manövriermasse. Nichts gegen besonnene, umfassende Planung, ganz im Gegen- teil. Vieles in der COVID-19-Krise ist sogar zu eng gedacht, zu regional, zu zögerlich, zu sehr auf die eigene weiße Weste be- dacht. Aber: So, wie gute Planung das große Ganze im Auge ha- ben muss, darf sie sich auch der Realität nicht verweigern. Diese Überzeugung hat sich langsam durchgesetzt. Es ist die Stunde der Wiederentdeckung der Ärztinnen und Ärzte durch das Sys- tem. Die Menschen, die Patientinnen und Patienten, haben im- mer schon „ihren“ Ärztinnen und Ärzten vertraut. Dr. Herwig Lindner ist Präsident der Ärztekammer Steiermark. Fotos: Jorj Konstantinov, Oliver Wolf, Elke Meister, Grafik: Konrad Lindner Das Coronavirus hat uns neben viel Leid und Angst auch etwas Gutes gebracht: Telemedizin. Jede Ärztin, jeder Arzt weiß: Medizin, die auf Sprache und zweidimensionale Bilder angewiesen ist, kann nie ein vollständiger Ersatz für die per- sönliche Betreuung am gleichen Ort sein. Aber sie ist besser als gar keine Betreuung – und sie schützt vor den Risiken der Nähe, insbesondere dem Infektionsrisiko, das dieser Tage besonders große Bedeutung hat. Darum nutzen wir sie auch, so weit möglich. Und sind dankbar, dass die Krankenkassen sehr schnell telemedizinische ärztliche Leistungen an- erkannt haben. Aber diese Telemedizin hat auch ihre Grenzen. Über sie gibt es glücklicherweise keine Infektion, aber leider auch keine Injektion. Es gibt kein Ansteckungsrisiko, aber dafür auch keine Berührungsmöglichkeit. Die heilenden Hände müssen in den Schoß gelegt werden. Telemedizin geht nicht ohne entsprechende Ge- räte und nicht ohne Internet. Die Zahlen dazu sind ja auch beeindruckend: 93,2 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher haben 2019 laut Statistik Austria internetfähige, mobile Geräte vom Smartphone bis zum Laptop ver- wendet, fast 88 Prozent das Internet. Aber diese hohen Zahlen liegen vor allem an den Jungen. Bei Frauen von 65 bis 74 Jahren nutzt weniger als die Hälfte das Internet. Wer die Telemedizin als Allheilmittel versteht, schneidet damit Hun- derttausende von der Medizin und der Selbst- bestimmtheit ab. Wenn wir keine Zwei-Klassen- Telemedizin wollen, bei der gerade jene auf der Strecke bleiben, die auf ärztliche Fürsorge ganz besonders angewiesen sind, müssen wir sehr sorgsam und mit viel Fingerspitzengefühl agieren. Ärztinnen und Ärzte haben kein Problem mit der Technik. Viele Patientinnen und Patienten aber schon. Telemedizin ist also gut, Telemedizin- Euphorie ignoriert aber die Menschen. Aber um die geht es. Vizepräsident Dr. Norbert Meindl ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte. EXTRA Norbert Meindl Telemedizin ist gut, Euphorie ist es nicht STANDORTBESTIMMUNG Herwig Lindner Menschen haben immer den Ärztinnen und Ärzten vertraut D BATTE
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