AERZTE Steiermark | Mai 2020
ÄRZTIN IM BESONDEREN DIENST 18 ÆRZTE Steiermark || 05|2020 URSULA SCHOLZ „Meine Erwartungen und Hoffnungen wurden weitge- hend erfüllt.“ Stefanie Essl, Hausärztin im oststeirischen Passail und seinerzeit von der Tageszeitung „Die Presse“ zur Österreicherin des Jahres ge- kürt, bilanziert positiv. Mitten in der Facharztausbil- dung für Innere Medizin hat sie diese unterbrochen, um in ihrem Heimatort die zweite allgemeinmedizinische Pra- xis zu übernehmen. Um der Region die Versorgung zu erhalten und somit zur Le- bensqualität beizutragen. In dieser Mission ist sie heute noch Mitglied der „Markt- entwicklungsgruppe Passail“, die durch regionale Verbes- serungen der Abwanderung zuvorkommen möchte. Die Ordination ist gut angelau- fen – einziger Wermutstropfen ist die bisher vergebliche Suche nach einem neuen Standort, um Platz und Komfort zu gewinnen. „Nicht alle Räu- me verfügen über Tageslicht; außerdem haben sich Patien- tenstock und Team vergrö- ßert und wir brauchen einfach mehr Platz“, erzählt Essl. In Zeiten von COVID-19 wurde ein weiterer Nachteil evident: „Die Wände sind „Es fehlt die körperliche Nähe“ Vor drei Jahren war Stefanie Essl Österreicherin des Jahres – als Landärztin und jüngste steirische Allgemeinmedizinerin mit eigener Kassenordination. Nun managt sie die Praxis neben einem Kleinkind, bildet Ärztenachwuchs aus – und erlebt mit COVID-19 einen kom- plett veränderten Berufsalltag. 2017 wählte die Jury der Tageszei- tung „Die Presse“ die Passailer Allge- meinmedizinerin Stefanie Essl zur „Österreicherin des Jahres“ in der Kategorie „Länd- liche Entwicklung“. Nach drei Jahren und einer Corona- Krise zieht sie eine überwiegend posi- tive Bilanz. Foto: Andrea Zöhrer „Meine Erwartungen und Hoffnungen wurden weitgehend erfüllt.“ Stefanie Essl sich Essl auch Unterstützung bei der Implementierung der Videoordination wünschen würde. „Denn die wird uns wohl noch länger begleiten.“ Viele ärztliche Kontakte las- sen sich per E-Mail, Telefon oder Videotelefonie erledi- gen. Hautausschläge werden fotografisch dokumentiert, Rezepte direkt an die Apothe- ke gemailt und Krankschrei- bungen am Telefon gecheckt. „Bedenken habe ich wegen des fehlenden Patientenkon- so dick, dass es bei der Vi- deoordination trotz Internet- Verstärkers zu Übertragungs- problemen kommt.“ Hygiene und Einsamkeit In anderer Hinsicht hat sich Essls Ordination als gut ge- rüstet für die Corona-Krise erwiesen: Eine Ordinations- assistentin hat erst kürz- lich die neue Ausbildung abgeschlossen, die auch ein modernes Hygienemanage- ment umfasst. „Wir haben damals schon vieles ver- bessert und desinfizieren jetzt ganz gleich, nur öfter.“ Und das, obwohl nur weni- ge Menschen direkt in die Praxis kommen. Für diese und für die Visiten genü- gend Schutzausrüstung zu erhalten, funktioniert mit Ach und Krach, mit Hilfe der Ärztekammer, von der takts, weil oft die körper- liche Nähe fehlt, der direkte Eindruck vom Zustand der Patienten, aber auch die Be- rührung.“ Essl berichtet von alten Menschen, die aus Ein- samkeit extra lange mit der Ärztin telefonieren. Von Kin- dern, die verzweifelt anrufen und sagen: „Die Mama trinkt wieder.“ Kooperation hilft Auch sie selbst ist als Mutter zurzeit besonders gefordert, weil sie die Betreuung ihres zweijährigen Sohnes kom-
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