AERZTE Steiermark | Mai 2020

6 ÆRZTE Steiermark  || 05|2020 BEREICH Eiko Meister Nehmt die Ärztinnen und Ärzte ernst Viele Wochen haben die Ärztinnen und Ärzte in den steirischen Spitälern den Ausnahmezustand hingenommen. Und nicht nur hingenommen: sondern bis zur völligen Erschöpfung ihre Pati- entinnen und Patienten betreut, „Sonder“-Rege- lungen akzeptiert, deren Sinn oft nicht ersichtlich war (um es vorsichtig zu formulieren) … „Wir fahren die medizinischen Leistungen langsam und schrittweise wieder hoch“, hieß es kürzlich in einem Inserat der KAGes. Das klingt auf den ersten Blick gut. Bei näherer Betrachtung fehlt dabei aber etwas ganz Entscheidendes: nämlich der spürbare Schulterschluss mit den Leistungsträgern, vom As- sistenzarzt bis zur leitenden Oberärztin. Ich weiß schon, in diesen hitzigen Zeiten ist ge- ordnete und vertrauensvolle Zusammenarbeit schwierig. Aber alles von oben herab verordnen zu wollen heißt: nicht einmal den Versuch zu ma- chen, herauszufinden, was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen, brauchen und wissen. Obwohl dieses Wissen für die Gesamtplanung ungemein wertvoll ist. Und die Frage nach dem, was jene, die das „langsame Hochfahren“ leben müssen (wenn es funktionieren soll), wollen und brauchen, wäre Ausdruck der Wertschätzung kompetenter Expertinnen und Experten. Natür- lich nur dann, wenn die Bereitschaft erkennbar ist, das Wollen und Brauchen nach Möglichkeit auch zu berücksichtigen. So aber ist die Botschaft an fast 2.500 Ärztinnen und Ärzte: Wir als Unternehmen wissen alles (besser) als Ihr. Wir schaffen an, Ihr schafft heran. Statt Kooperationsbereitschaft gibt es eine über- flüssige Nebenbeschäftigungsverbots-Debatte, drohende Arbeitszeitregelungs-Konflikte. Da fühlen sich Ärztinnen und Ärzte, genauso aber das Pflegepersonal und andere Gesundheitsberufe, nur mehr als Spielball eines weltfremden Unter­ nehmenszentralismus. Das Asset dieses Unter- nehmens sind seine 18.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Nehmt sie wahr. Vizepräsident Dr. Eiko Meister ist Obmann der Kurie Angestellte Ärzte. INTRA KONT A Corona treibt auch ökonomische Blüten. Nicht wenige leben in dieser Zeit nur einen Satz der Ökonomielehre: Die Nachfrage bestimmt den Preis. Viele Angebote für Schutzkleidung haben uns erreicht. Die meisten davon zu weit überhöhten Preisen und immer mit dem Hinweis „nur nach Vorauszahlung des gesamten Preises“. Der Aufbau nachhaltiger Geschäftsbezie- hungen sieht anders aus. Erfolgreiche Unternehmen leben von Haltungen des ehrbaren Kaufmanns: Seriosität, Sorgfalt, Umsicht und Verlässlichkeit. Vertrauen ist noch immer der wirksamste Kraftstoff prosperierender Macro- und Micro- Ökonomien. Das gilt übrigens für jedwede Form von Beziehung. Auch für die Arzt- Patient-Beziehung. Insofern sei mir erlaubt zu sagen, warum ich der Ansicht bin, dass Ökonomie und Medizin nicht zu trennen sind. Bezogen darauf sind die Art und Weise der Beziehung und die Kontexte des Miteinanders nicht unbedeutend. In einem Solidarmodell von Gesundheit, das wir in Österreich leben, kann Ökonomie nie Selbstzweck sein, sondern hat dienenden Charakter. Soli- darmodell von Gesundheit heißt, Gesundheitsleistungen allen, die erkrankt sind, zukommen zu lassen. Letztlich ist damit die Aufgabe gemeint, die vorhandenen und immer begrenzten Ressourcen bestmöglich der Patienten-Versorgung zuzuführen. Das ist die Fokussierung. Nicht: Wie kann ich sparen? Wie kann ich Kosten optimieren und Erlöse generieren? Sparen und Optimieren sind nur Methoden, um Ressourcen dort zu haben, wo sie sinnvoll gebraucht werden. Eben beim diagnos- tischen und therapeutischen Umgang mit Erkrankungen, um Menschen zu helfen. Ich bin der Überzeugung, dass das öko- nomische Denken inhärent ethisches Denken fördert oder zu- mindest nicht ausschließt. Es ist berechtigt, die Frage zu stellen, wie wir mit begrenzten Ressourcen umgehen: Ist alles, was wir tun, nötig? Gibt es systemische Redundanzen? Was könnte für das Wohl unterschiedlicher Patienten jenseits von Interessen unterschiedlicher Gruppen besser sein? Wo liegt die Verantwor- tung des Einzelnen in unterschiedlichen Funktionen innerhalb unserer Versorgungswelt? Wie gehen die Menschen und poten- tiellen PatientInnen mit ihren physischen, psychischen und mentalen Ressourcen um? More questions than answers. Medi- zin und Ökonomie könnten durchaus achtsamer miteinander umgehen. Getrennte Betrachtungen und ausschließende Beur- teilungen bringen nichts. Nur gemeinsam kann ein guter Weg in der Bewältigung der Herausforderungen gelingen. Es könnte nachhaltig sein – gesundheitlich und ökonomisch. Dr. Christian Lagger MBA, studierter Theologe und Philosoph, ist seit 2010 Geschäftsführer bei den Elisabethinen.   2 D BATTE Christian Lagger Gemeinsam ist besser: Ökonomie und Medizin

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