AERZTE Steiermark | Mai 2020
BEREICH ÆRZTE Steiermark || 05|2020 7 Alle wollen „hochfahren“. Die Gastronomie und Hotellerie, der Sport, die Kunst und Kultur … Dafür gibt es Fahrpläne und Regeln. Das ist wichtig. Eine zweite Corona-Welle wünscht sich wirklich niemand. Kein „Hochfahren“ ist in der Gesundheitsversorgung nötig. Ärztinnen und Ärzte, aber auch die meisten anderen gesund- heitsversorgenden Berufe, waren nie „niedergefahren“. Ganz im Gegenteil. Sie haben in dieser Krise unendlich viel zu tun gehabt. Nötig ist aber eine Änderung der Orientierung. Denn wegen COVID-19 musste manches andere in den Hin- tergrund treten. Dadurch hat es aber seine Wichtigkeit nicht verloren. Impfungen, geplante Behandlungen, Kontrolluntersuchungen – sie können zwar ein wenig verschoben werden, aber sie sind unverzichtbar. Jetzt geht es also darum, verlorenes Terrain wieder aufzuholen. Das ist aber nur im Einklang sinnvoll möglich. Es darf keinen Verdrängungswettbewerb geben, kein Vorpreschen Einzelner, kein Ausleben von Egoismen. Dieses „Hochfahren“ (das keines ist) der Gesundheitsversorgung braucht Gemeinsamkeit. Kran- kenhäuser aller Art, niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, All- gemeinmedizin und fachärztliche Versorgung, Sozial- und Pri- vatmedizin, die vielen nichtärztlichen Gesundheitsberufe – all diese Bereiche sind für die Patientinnen und Patienten gleicher- maßen wichtig. Sie sind alle gesundheits-„systemrelevant“. Die einen versorgen vielleicht mehr als die anderen. Aber wenn jene, die weniger Menschen versorgen, ihren Beitrag nicht leisten (können), sind die „Mehrversorger“ überfordert. Hilfreich wäre es, die Versorgung etwas mehr aus der Sicht der Hilfesuchenden zu sehen. Und deren Bedarf aus Expertensicht zwar immer im Auge zu haben, aber soweit nur irgend möglich auch deren Bedürfnisse ernst zu nehmen. Das können wir, wenn wir etwas weniger die eigene Bedeutung und mehr die Bedeu- tung des Ganzen in den Vordergrund stellen. Dr. Herwig Lindner ist Präsident der Ärztekammer Steiermark. Fotos: Stephan Friesinger, Oliver Wolf, Elke Meister, Grafik: Konrad Lindner Das Wichtigste in den letzten Wochen waren Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel. Und zwar in einer noch nie dagewesenen Größen- ordnung. Das wird auch eine Zeitlang so bleiben. Dennoch haben uns manche Entscheidungsträger Innen immer wieder patzig erklärt, dass wir selber schuld sind, wenn wir so etwas nicht vorrätig haben. Gesundheitsminister Rudolf Anschober hat kürzlich öffentlich gesagt, dass die ganze Welt auf eine Pandemie dieser Größenordnung nur unzureichend vorbereitet gewesen sei. Da reden wir von der Weltgesundheitsorganisation, der Europäischen Union und Staaten von China über die USA und Deutschland bis zum „kleinen“ Österreich. Angesichts dessen ist es natürlich völlig ab- surd, von Ärztinnen und Ärzten zu verlangen, sie hätten SARS-CoV-2 vorhersehen und sich darauf vorbereiten müssen. Was aber diese Ent- scheidungsträger nicht daran hindert, auf dieser Ebene weiterzumachen. Keine Abstrichstäbchen? Selber schuld. Um nur ein Beispiel zu nennen. Und natürlich brauchen die Ärztinnen und Ärzte auch einen Ausgleich für die gewaltigen wirt- schaftlichen Verluste, die diese Corona-Krise in vielen Ordinationen verursacht hat. Da rede ich von allen Ärztinnen und Ärzten. Ganz besonders und unmittelbar trifft es aber diejenigen, die kei- ne Honorarvorauszahlungen auf Grundlage der letztjährigen Ergebnisse bekommen. Es ist sehr einfach: Wenn dieser Staat, wenn die- ses System jetzt seine Ärztinnen und Ärzte nicht schützt, wird es bei der nächsten Pandemie keine mehr geben. Und uns alle – wie die Menschen in den Ländern, die schon jetzt keine ausreichende Versorgung haben. Dafür aber sehr viel mehr Leid. Und dann: Gute Nacht, Österreich. Vizepräsident Dr. Norbert Meindl ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte. EXTRA Norbert Meindl Schützt die Ärztinnen und Ärzte STANDORTBESTIMMUNG Herwig Lindner „Hochfahren“ der Versorgung im Einklang mit allen D BATTE
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