AERZTE Steiermark | Mai 2020
COVER Fotos: Shutterstock, Schiffer, Beigestellt ÆRZTE Steiermark || 05|2020 9 takt vor Ort. Die Telemedizin dürfe nicht zum „Wildwuchs“ führen, die „hohe Qualität“ der medizinischen Versor- gung müsse erhalten werden, verlangt auch Moussa und fordert „Rechtssicherheit für die Ärztinnen und Ärzte“. Keine Fließbandmedizin Ähnlich sehen es auch der Präsident der Ärztekammer Steiermark, Herwig Lindner, und der Obmann der nieder- gelassenen Ärztinnen und Ärzte, Vizepräsident Norbert Meindl: „Die Corona-Krise hat zu einem deutlichen An- stieg der Telemedizin geführt. Das wird von der großen Mehrheit der Ärztinnen und Ärzte begrüßt.“ Das neue Interesse an der Telemedizin hat aber auch Geschäftemacher auf den Plan gerufen, die jetzt schnelles Geld verdienen wollen. „Wir brauchen eine seriöse Tele- medizin, sie darf nicht zur Ausrede für patientenferne Fließbandmedizin werden“, warnten sie in einer Presseaus- sendung Anfang April. Da- her dürfe die Nähe zwischen Ärztin und Arzt auf der einen und Patientin und Patient auf der anderen Seite „niemals aufgegeben werden“. Es gehe in einer gesamtheitlichen Ver- sorgung auch darum, die Le- bensumstände einer Patientin, eines Patienten zu kennen. „Gute Medizin ist immer indi- viduell“, sagt Ärztekammer- präsident Lindner. Reine Tele- interessiert hat, ist es nun wegen der Coronakrise zum „digitalen Dammbruch“ ge- kommen, wie es Alexander Moussa, IT-Referent in der Ärztekammer Steiermark und Obmann der Sektion Allge- meinmedizin, formuliert. Große Zustimmung Fast 80 Prozent der Ärztinnen und Ärzte (siehe Frage des Monats) wollen, dass die Tele medizin auch nach dem Ab- flauen der Coronakrise er- halten bleibt. Aber geht das überhaupt? Telemedizinische Krankenbehandlungen auf Kassenkosten in der „Regel- finanzierung“ gab es vor CO- VID-19 nämlich praktisch kaum – nur Projekte (sieht man von diversen E-Dienst- leistungen im Umfeld von ELGA ab). Das Ärztegesetz behindert die Telemedizin jedoch nicht. Dieser Meinung ist zumin- dest Gerhard Aigner, lang- jähriger Leiter der Sektion Recht und Gesundheitlicher Verbraucherschutz im Sozial ministerium. „Das Ärztege- setz kennt kein Verbot der Telemedizin“, so Aigner beim Forum Alpbach 2018. Diese Rechtsansicht begründet er unter anderem damit, dass auch LabormedizinerInnen oder PathologInnen die Pati- entInnen in der Regel nicht zu Gesicht bekämen. Allerdings gelte für die Telemedizin der- selbe Sorgfaltsmaßstab wie für jeden persönlichen Kon- dungen über 100- bis 300-Me- gabitleitungen sind aber in Arztpraxen notwendig, um etwa bewegte Bilder ohne we- sentliche Qualitätseinbußen mitsenden zu können. Lin- derung habe, so Bayer, in der Krise die technische Lösung in Form des Bereitstellens von Bandbreite für kritische Infrastruktur gebracht. Pro- bleme gab es übrigens nicht nur in Arztpraxen, auch per Videokonferenz abgehaltene Krisenstabsitzungen waren zuweilen ein Kampf gegen die unzureichende Technik. Fazit: Für eine halbwegs frik- tionsfreie Telemedizin rei- chen die vorhandenen Breit- bandressourcen nicht aus. Da helfen auch gute Endgeräte in den Praxen wenig: Auf engen, kurvenreichen Bergstraßen und überlasteten Autobahnen kommen auch PS-starke Fahrzeuge nur sehr langsam voran. Telemedizin in der Praxis Jetzt, in der Krise, haben viele Ärztinnen und Ärzte teils er- medizin ohne persönliche und kontinuierliche Beziehung sei lediglich eine Notlösung. Analyse nötig Dietmar Bayer, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Telemedizin, niedergelas- sener Kassen-Psychiater in Leibnitz und Vizepräsident der Ärztekammer Steiermark, wies in einem Interview da- rauf hin, dass es wegen der Corona-Krise möglich gewe- sen sei, die Telemedizin „on the fly“, also im Echtbetrieb, zu erproben. Nach der Krise sei eine eingehende Analyse notwendig, um in jene „neue Normalität“ zu gelangen, die mittlerweile zum geflügelten Wort geworden ist. Begrenzte Ressourcen Das beginnt mit der Tech- nik: Am Anfang der Krise zeigten sich im ärztlichen Bereich die Limitierungen der vorhandenen Breitbandtech- nik. Manches Videogespräch verlief „abgehackt“ (Bayer), Informationen gingen verlo- ren. Schnelle Internetverbin- Dieser Artikel wurde bis 28. April 2020 recherchiert und geschrieben. „Die einzigen Limitierungen … sehe ich darin, dass manche speziellen ‚tiefergehenden‘ Interventionen über Skype nicht möglich sind …“ Eva Brunegger „Schnelle Internetverbindungen über 100- bis 300-Megabitleitungen sind … notwendig, um etwa bewegte Bilder … mitsenden zu können …“ Dietmar Bayer
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