AERZTE Steiermark | Juni 2020

18 ÆRZTE Steiermark  || 06|2020 ETHIK UND COVID-19 Foto: beigestellt URSULA SCHOLZ Der ärztliche Albtraum schlechthin: Man wüsste, wie man helfen könnte, aber die Ressourcen reichen nicht aus. Als Ende März in Frankreich beschlossen wurde, Über- 80-Jährige, die durch CO­ VID-19 an Atemnot litten, nicht mehr zu beatmen, war der Albtraum mitten in Eu­ ropa Wirklichkeit geworden. „Eine gute Lösung gibt es da nicht“, betont die Grazer Health-Care-Ethics-Profes­ sorin Martina Schmidhuber. „Aber am Alter allein darf man die Entscheidung über eine medizinische Interventi­ on nicht festmachen, das ist diskriminierend. Am besten wäre, wenn sich jeder und jede überlegen würde, was er oder sie im Fall einer be­ nötigten Intensivbetreuung möchte und das mittels Pati­ entenverfügung festlegt.“ Wo es keine derartige Verfügung gibt, sollen die Erfolgsaus­ sichten der Behandlung sowie die zu erwartende Lebens­ qualität nach deren Abschluss als Entscheidungskriterien dienen. Zudem seien naheste­ hende Personen zu befragen, was der- oder diejenige selbst gewollt hätte. Berührung zählt Nach (der ersten Welle von) COVID-19 erhofft Schmid­ huber, dass mahnende Worte von MedizinethikerInnen nun Gehör finden wer­ den, wenn es um den Wert menschlicher Betreuung von Pflegebedürftigen geht. „Ein „Eine gute Lösung gibt es nicht“ Martina Schmidhuber, Professorin für Health Care Ethics an der Grazer Moraltheolo- gie, sieht durch COVID-19 eine neue Wertschätzung des Zwischenmenschlichen im Ge- sundheitsbereich gekommen, warnt vor Altersdiskriminierung und nimmt jeden Einzelnen in die Verantwortung. bei der Körperpflege braucht es die direkte Berührung. Das ist vielen gerade in dieser Roboter kann vorsortierte Medikamente in die Pflege­ heim-Zimmer bringen, aber Zeit bewusst geworden.“ Und auch das neben dem Waschen geführte Gespräch verbessert die Lebensqualität und kann nicht von künstlicher Intel­ ligenz übernommen werden. Schmidhuber ruft die Bevöl­ kerung dazu auf, klare Ver­ einbarungen zu treffen, was mit ihr im Falle einer Knapp­ heit von Intensivbetten zu ge­ schehen habe, nicht nur, aber auch in Zeiten von COVID-19. „Ich würde nicht wollen, dass die Ärzte für mich entschei­ den“, stellt sie klar. Parallel dazu müssten im Gesund­ heitssystem Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass „Am besten wäre, wenn sich jeder und jede überlegen würde, was er oder sie im Fall einer benötigten Intensivbetreuung möchte und das mittels Patientenverfügung festlegt.“ Martina Schmidhuber Die Medizin­ ethikerin und Theologin Martina Schmidhuber hofft, dass die Erfah­ rungen aus der Corona-Krise auch zu einer verstärkten ethischen De­ batte führen – und sie erwartet sich als eine Kon­ sequenz mehr menschliche Zuwendung. Diese könnten (Pflege-)Ro­ boter einfach nicht leisten.

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