AERZTE Steiermark | Juni 2020

32 ÆRZTE Steiermark  || 06|2020 RECHT Aufklärungspflicht: Einladung zur Befundbesprechung Der Oberste Gerichtshof hat sich in einer Entscheidung vom 20.02.2020, 6Ob17/20y, mit der Frage auseinandergesetzt, welche Schritte ein Arzt setzen muss, wenn nach Einlangen eines Be- fundes weitere Abklärungen erforderlich sind. biltelefonnummer zu errei­ chen, wobei ein Kontakt auf diesem Weg nicht zustande kam. Sodann wurde per Post eine nicht eingeschriebene Benachrichtigung an den Klä­ ger geschickt, deren Wortlaut nicht bekannt ist. Es ist mög­ lich, dass lediglich ein Stan­ dardtext verschickt wurde, der sich auf die Aufforderung beschränkte, der Kläger möge sich zwecks Befundbespre­ chung in der Ordination mel­ den. Der Kläger meldete sich in der Folge nicht in der Ordi­ nation. Weitere Bemühungen durch den beklagten Arzt wurden nicht unternommen. Der Kläger war nach den Un­ tersuchungsterminen wieder ohne Beschwerden. Er suchte daher die Praxis des beklag­ ten Arztes nicht mehr auf und nahm auch sonst keine ärzt­ liche Hilfe in Anspruch. Zwei Jahre später bemerkte der Kläger beim Fußballspielen ein verschwommenes Sehen am linken Auge bzw. Doppelbilder beimBlick nach links. Der Klä­ ger suchte deswegen einen Au­ genarzt auf. Aufgrund weiterer Untersuchungen wurde beim Kläger ein Hirnstammgliom diagnostiziert. Der ursprüngliche radiolo­ gische Befund hätte eine wei­ tere fachärztliche Abklärung durch einen neuro-onkolo­ gisch versierten Facharzt für Neurologie oder für Neuro­ chirurgie erfordert. Eine sol­ DIETER MÜLLER Der Kläger suchte erstmals die Praxis des beklagten Arztes für Allgemeinmedizin auf, weil er sich am Morgen kraftlos fühlte, Kopfschmer­ zen hatte und Unwohlsein und Schwindel verspürte. Der Arzt trug in seine Karteikarte als Diagnose „Cephalea“ ein und hielt fest, dass der Klä­ ger sich immer angeschlagen fühle. Zur Abklärung ver­ anlasste er ein großes Blut­ bild und überwies den Kläger zur MRT-Untersuchung des Kopfes. Im darüber ausge­ stellten Befund wurde das Vorliegen einer Geschwulst (Gliom) als eine abzuklären­ de Möglichkeit dargestellt. Im MR-Institut wurde dem Kläger das Untersuchungser­ gebnis und der Befund nicht durch einen Arzt dargelegt. Der Kläger holte die MRT- Bilder samt schriftlichem Be­ fund einige Tage nach der Untersuchung persönlich ab und brachte die Unterlagen selbst direkt in die Ordination des beklagten Arztes. Dabei schaute er sich weder die übernommenen Bilder noch den Befund an. Der behandelnde Arzt schau­ te sich den radiologischen Befund an und gelangte zum Ergebnis, dass dieser mit dem Patienten zu besprechen sei. Zuerst versuchte er, den Klä­ ger über die bei der Erstkon­ sultation hinterlassene Mo­ Shutterstock che Vorstellung war zwingend geboten, jedoch nicht äußerst dringend vorzunehmen, son­ dern wäre innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten vorzusehen gewesen. Rückblickend betrachtet ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzuneh­ men, dass die Erkrankung (Gliom) bereits bei der Erst­ konsultation des Allgemein­ mediziners vorhanden und bei weiterer medizinischer Abklärung bereits in einem früheren Stadium diagnosti­ zierbar war. Nicht mit ausrei­ chender Sicherheit ließ sich feststellen, ob sich der Kläger bei gleichem histologischem Befund und bei gleichzeitig gegebener Rückbildung der Beschwerden ursprünglich für eine Behandlung entschie­ den hätte. Klagen Die Verzögerung der Dia­ gnose und die Behandlung des Tumors hat sich mög­ licherweise ungünstig auf die Behandlungsergebnisse und Behandlungschancen des Klägers ausgewirkt. Der Kläger begehrte daher vom Beklagten Schmerzensgeld, Verdienstentgang, Kosten ei­ ner Spezialbrille etc. sowie die Feststellung der Haftung des Beklagten für alle künf­ tigen Schäden des Klägers insbesondere für Spät- und Dauerfolgen. Er brachte vor, er sei vom Beklagten vom Er­ gebnis der Untersuchung im MR-Institut nicht informiert worden, insbesondere nicht darüber, dass dieser Befund einer näheren neurologischen oder neurochirurgischen Ab­ klärung bedurft hätte. Das Erstgericht wies das Zah­ lungsbegehren ab, gab dem Feststellungsbegehren statt und behielt sich die Kosten­ entscheidung vor. Das Berufungsgericht hob über die Berufung beider Par­ teien das Urteil des Erstge­ richts auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entschei­ dung an das Erstgericht zu­ rück. Dagegen erhob der be­ klagte Arzt Rekurs an den Obersten Gerichtshof (OGH) mit dem Antrag auf Abände­ rung der Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der gänzlichen Klageabweisung. OGH-Entscheidung Der OGH gab dem Rekurs statt und hielt Folgendes fest (20.02.2020, 6Ob17/20y): Die ärztliche Aufklärungspflicht

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