AERZTE Steiermark | Juni 2020

RECHT ÆRZTE Steiermark  || 06|2020 33 umfasst die Pflicht, den Pa­ tienten über mögliche Ge­ fahren und schädliche Folgen einer Behandlung oder ihrer Unterlassung zu unterrichten. Aufklärungspflichten und Be­ lehrungspf lichten bestehen nicht nur dann, wenn die Einwilligung des Patienten zur Durchführung einer ärzt­ lichen Heilbehandlung er­ reicht werden soll, sondern auch dann, wenn dem Pati­ enten eine sachgerechte Ent­ scheidung zu ermöglichen ist, ob er eine (weitere) ärzt­ liche Behandlung unterlassen kann. Wenn der Arzt erkennt, dass bestimmte ärztliche Maß­ nahmen erforderlich sind, dann hat er den Patienten auf die Notwendigkeit und die Risken einer Unterlassung hinzuweisen. Im Sinne dieser Rechtsprechung war der Be­ klagte verpflichtet, nach dem Studium des radiologischen Befunds den Kläger auf die indizierte weitere fachärzt­ liche Abklärung durch einen Neurologen hinzuweisen. Der OGH vertrat die A n s i c h t , dass die Be­ mü hu ngen des Beklag­ t e n , m i t dem Kläger Kontakt auf­ zunehmen, ausreichend waren. Der Beklagte beließ es nicht nur bei einem Versuch, sondern setzte (zumindest) zwei Versuche auf jeweils ver­ schiedene Art (Telefon, Post). Es ist bekannt, dass Mobilte­ lefone empfangene, aber nicht entgegen genommene Anrufe mit der Telefonnummer des Anrufers speichern, was einen späteren Rückruf des Ange­ rufenen ermöglicht. Von der Praxis des Beklagten wurde bei der vom Kläger hinterlas­ senen Mobiltelefonnummer angerufen. Bei einer allfäl­ ligen Änderung der Telefon­ nummer wäre es am Kläger gelegen, diese Änderung dem Beklagten mitzuteilen. Auch wenn bei einem posta­ lischen Versuch der Kontakt­ aufnahme nur ein Standard­ text mit der Aufforderung, sich zwecks Befundbespre­ chung in der Ordination zu melden, verwendet worden sein sollte, wäre ein solcher Text ausreichend gewesen. Der OGH weist auf die den Patienten grundsätzlich tref­ fende Eigenverantwortung hin, die im Fall des Bemühens des Arztes um Kontaktauf­ Aufklärungspflichten und Belehrungspflichten beste­ hen nicht nur dann, wenn die Einwilligung des Pati­ enten zur Durchführung einer ärztlichen Heilbe­ handlung erreicht werden soll, sondern auch dann, wenn dem Patienten eine sachgerechte Entscheidung zu ermöglichen ist, ob er eine (weitere) ärztliche Behandlung unterlassen kann. nahme mit dem Patienten bedeutet, diese Kontaktauf­ nahme auch durch zumutbare Handlungen zu ermöglichen, wie z. B. Rückruf am Mo­ biltelefon bzw. Bekanntgabe einer geänderten Mobiltele­ fonnummer. Abschließend hält der OGH fest, dass die Versuche des beklagten Arztes, mit dem Kläger zwecks Besprechung des radiologischen Befundes Kontakt aufzunehmen, aus­ reichend waren. Dementspre­ chend fällt ihm kein rechts­ widriges und schuldhaftes Verhalten zur Last, weshalb die auf Schadenersatz aus Verschulden gegründeten Ansprüche des Klägers nicht zurecht bestehen. Die Entscheidung ist aus ärzt­ licher Sicht sehr zu begrüßen, relativiert sie doch in gewisser Weise die vor einigen Jahren heftig kritisierte Entschei­ dung, bei der die Mithaftung des beklagten Gynäkologen wegen mangelhafter Auf­ klärung bejaht wurde. Der beklagte Gynäkologe stellte damals bei einer Ultraschall­ untersuchung Auffälligkeiten fest, reagierte damit, dass er der Patientin eine Überwei­ sung in die Risikoambulanz der Landesklinik schrieb, ihr übergab und beim Hinaus­ gehen aus dem Ordinations­ raum noch wörtlich sagte: „Sie gehen mir jetzt in die Risikoambulanz!“ Nach Ansicht des OGH unter­ scheidet sich der nunmehrige vom seinerzeitigen Fall maß­ geblich dadurch, dass der Gy­ näkologe im unmittelbaren Kontakt mit der Patientin die Möglichkeit gehabt hätte, ihr nicht nur das Aufsuchen der Risikoambulanz nahe zu le­ gen, sondern gleichzeitig auch den Grund für diese Emp­ fehlung näher darzulegen. Die Unterlassung eben dieser Aufklärung war damals haf­ tungsbegründet. Im vorlie­ genden Fall hatte der beklagte Arzt diese Möglichkeit, im unmittelbaren Gespräch dem Kläger seine Aufklärung über weitere notwendige fachärzt­ liche Abklärungen zu geben, aber gerade nicht, sondern scheiterte schon davor bei seinen Versuchen, mit dem Kläger zwecks Herbeiführung dieses unmittelbaren Kon­ takts einen Termin in seiner Ordination zu vereinbaren. Dr. Dieter Müller ist Bereichs- leiter Recht und Beschwer- demanagement, Ausbildung, EDV in der Ärztekammer für Steiermark.

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