AERZTE Steiermark | Juni 2020

ÆRZTE Steiermark  || 06|2020 45 NIEDERGELASSENE ÄRZTINNEN UND ÄRZTE „ Impfen er forder t eine behutsame ärzt­ liche Begleitung“, sagt Christoph Schweig­ hofer, stel lver t re ­ tender Kurienobmann der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sowie Kassenarzt für Allgemeinmedizin in Kapfenberg. Diese Be­ gleitung dürfe die Po­ litik „den Patientinnen und Patienten nicht vorenthalten“, warnt er. Auch und ganz besonders nicht in der (hoffentlich) späten Phase dieser belasten­ den Corona-Krise. Und das gilt natürlich nicht nur für die kostenlosen „Kinderimp­ fungen“, sondern auch für wei­ tere (leider kostenpflichtige) Standardimpf ungen wie FSME und Influenza. Impfen ist weit mehr als ein schneller Stich. Es braucht daher die persönliche Beziehung zwischen Ärztin/Arzt und Patientin/Patient, wie sie in der Ordina­ tion Wirklichkeit ist. Umso bedenklicher sind politische Vorstöße in Richtung „Massen­ impfungen“ und In­ stant-Impfungen in Apotheken „durch ge­ schultes Personal“, wie es in ein Politik-Aussendung heißt. Es geht um ärztliche Bera­ tung, um Impfvorbereitung („Feststellung der Impftaug­ lichkeit“). Und es geht auch um kompetente und sofortige Hilfe, falls Patientinnen und Patientinnen beim Impfen Probleme bekommen. Fotos: Stelzl, Schiffer, Adobe Stock, Conclusio Der ganz normale Praxiswahnsinn PRAKTISCH TÄGLICH Von Ulrike Stelzl Seltsame Blüten sprießen Der Frühsommer ist eine wunderbare Zeit. Alles grünt und blüht und wächst und gedeiht. Heuer leider auch die seltsamen Blüten. In meiner Ordination bin ich glücklich. Denn dort kann ich arbeiten und das Leben läuft normal. Außer Haus gehe ich schon, aber meist direkt in den Wald oder ich fahre in irgend­ eine abgeschiedene Gegend. An Essen im Restaurant mag ich nicht einmal denken. Maske auf und rein durch die Tür. Legt man sie zur Rechten oder zur Linken des Tellers? Sieht sie netter aus mit der Vorspeise oder mit dem Salat? Und zwischen den Gängen kann man den Nachbarn zusehen, wie jeder möglichst oft und viel in Gesicht und Nase herumfingert und -popelt, um die Dinger ab- oder wieder aufzusetzen. So viele Leute beim Nasenbohren wie im Moment habe ich noch nie gesehen. Klar, die Masken jucken. Manche, weil sie nie gewechselt werden; manche, weil sie Allergien verursachen. Jedenfalls tun wir jetzt genau das, was wir nie hätten tun sollen: in Mund, Nase, Augen herumfingern. Dass das gut für unsere Gesundheit ist, muss ich nicht verstehen. Also halte ich mich fern. Beruflich kann ich mich nicht raushalten, da muss ich mich einfach ärgern. Oder zumindest wundern. In vielen Praxen und auch Physio-Instituten wachsen seit neuestem Fieberther­ mometer wie die Schwammerln. Patienten und Angestellte werden einmal oder sogar mehrmals gemessen. Obwohl das in über 50 Prozent der Fälle falsch-negative Resultate liefert. Also auf gut Deutsch: völlig für die Fisch ist. Eine uralte Patientin – 96 Jahre, kaputte Hüfte – quälte sich unlängst über die Stiege zu einem Facharzt. Nach der Fiebermes­ sung musste sie wieder hinunterhumpeln. Weil schon zwei Men­ schen in der Ordination waren. Echt jetzt? Gibt’s kein Kammerl mit offenem Fenster, wenn man schon Sorge hat? Möglichkeiten gibt es doch immer – wenn man will. Ein Kollege weigert sich, Befunde oder Überweisungen anzunehmen. Kann einen Covid aus dem Papier anspringen? Wohl eher nicht. Und wenn man sich schon so fürchtet, gibt’s ja auch Handschuhe. Aber die Angst geht um, und so kommt es, dass eine junge Patientin ohne Mama zur neurologischen Abklärung gehen muss. Ein Kind allein ohne Mutter ist rechtlich nicht haltbar und auch anamnestisch- therapeutisch wahrscheinlich nicht sehr sinnvoll. Wie wäre es, wenn wir alle mal einen Meter zurücksteigen, die FFP-Maske vom Gesicht nehmen und dem Hirn ein wenig fri­ schen Sauerstoff zum Nachdenken gönnen? Dr. Ulrike Stelzl ist niedergelassene Ärztin für Allgemein­ medizin. Mehr von ihr gibt es im Buch „Hallo Doc! 2 Der ganz normale Praxiswahnsinn“ (erhältlich bei Amazon) Impfen ganz persönlich „Massenimpfungen“ und „Instantimpfungen“ würden die persönliche ärztliche Betreuung in Frage stellen. Daher gibt es scharfe Kritik an der- artigen politischen Ideen. Schweighofer: „Ärztliche Begleitung den Patientinnen und Patienten nicht vorent­ halten.“

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