AERZTE Steiermark | Juni 2020

6 ÆRZTE Steiermark  || 06|2020 BEREICH Eiko Meister Normal ist das noch nicht Seit Wochen ruft die Steiermärkische Krankenan­ staltengesellschaft KAGes die langsame Rückkehr zur Normalität aus. Das ist auch bitter nötig, weil viele fix vereinbarte Behandlungen wegen CO­ VID-19 verschoben wurden. Also Rückkehr zur Normalität, wenn auch unter Einhaltung der verständlichen Hygiene- und Sicherheitsbestimmungen. Diesen – vor allem den Abstandsregeln – fielen auch viele Betten zum Opfer. Wie viele genau, ist unbekannt – die KAGes hat bis heute keine exakten Zahlen be­ kanntgegeben, obwohl sie versprochen wurden. Man bräuchte die Betten aber ohnehin nicht, weil die Patientinnen und Patienten nur zögerlich kommen, hieß es zur Beruhigung. Normalität? Ein zweites Thema trifft unmittelbar die Mitarbei­ terinnen und Mitarbeiter: Noch immer müssen einige weiter Wechseldienst schieben – „Wech­ seldienst“ bedeutet 12-Stunden-Schichten unter massiven Belastungen. Unter Notfall-Bedin­ gungen ist das möglich und wurde auch akzep­ tiert. Besondere Umstände erfordern besondere Maßnahmen. Nur hat man den Eindruck, dass diese 12-Stun­ den-Schichten der KAGes ganz recht sind. Die Sondervereinbarung läuft bis Jahresende, und es gibt keine Signale, dass der Dienstgeber sie voll­ ständig aufhebt. Das Absurde daran ist, dass diese Sondervereinbarung auch für die Bediensteten der Medizinischen Universität gilt – nur endet sie dort ein halbes Jahr früher als im Landesbereich. Sollte ein COVID-19-Notfallbetrieb wieder notwendig sein (was niemand wünschen kann), werden die Ärztinnen und Ärzte ihn sicher ak­ zeptieren. Dafür müsste nur eine neue Betriebs­ vereinbarung abgeschlossen werden. Jetzt geht es aber darum, überall Normalität für alle Mitarbei­ terinnen und Mitarbeiter herzustellen. Sonst bleibt der Ruf nach Normalisierung nämlich halbherzig. Vizepräsident Dr. Eiko Meister ist Obmann der Kurie Angestellte Ärzte. INTRA KONT A Medizin basiert seit ihrer „Entdeckung“ unverändert 1. auf Anamnese (die telemedizinisch zwar auch, aber „brachymedi- zinisch“ besser möglich ist), klinisch-physikalischer Untersu- chung – und da nicht nur auf Inspektion, die telemedizinisch individuell mehr oder weniger unterschiedlich gut möglich ist, sondern auch auf Palpation und Auskultation – und zu- nehmend – zur Objektivierung, aber auch zur forensischen Absicherung – auch auf apparativen und laborchemischen Un- tersuchungen sowie in der Folge, 2. auf therapeutischen Maß- nahmen der Kommunikation, der Anwendung von Medika und invasiven Verfahren, wobei die Anwendung von Medika wiederum telemedizinisch auf Rezepturen beschränkt ist, die von den PatientInnen selbständig umgesetzt werden können, und daher Injektionen und Infusionen ausschließt. Die Telemedizin ist etwas überspitzt für die Diagnostik und Therapie in anderen Fachgruppen als der Dermatologie und Psychiatrie – außer für Befundbesprechungen – keine konkur- renzfähige Alternative zur „Brachymedizin“. Zusätzlich sollten zwei weitere Überlegungen vor dem (teilwei- sen) Umstieg zur Telemedizin angestellt werden: 1. das pekuniäre Argument: Bisher ist das beste Mittel zur Diagnosefindung, die Anamnese, im Vergleich zu den ande- ren diagnostischen Maßnahmen und zu den therapeutischen Maßnahmen das mit der geringsten Entlohnung – zumindest laut Tariflisten. Daher ist beim Umstieg auf Telemedizin mit geringeren Umsätzen zu rechnen. Der Beweis ist durch die Shutdown-Phase der Corona-Pandemie erbracht. Und auch die unverhältnismäßig geringe Senkung der Ausgaben ist be- wiesen. Somit wäre selbst bei theoretischer Überzeugung für den Umstieg auf Telemedizin für die praktische Überzeugung ein Wunder in den Tariflisten Voraussetzung. Das sage ich als jemand, der die Anamnese weit über apparative Methoden stellt und sich längst das Wunder in den Tariflisten wünscht. 2. das standespolitische Argument: Spätestens seit Ärzte- zentren in Zeiten unserer kollegialen anästhesiologischen Gesundheitsministerin angedacht wurden, fürchten sich ÄrztInnen und die Kammer vor der Abschaffung des freien Arztes. Und längst wissen wir und fürchten wir uns auch, dass unsere „Kunst“ uns von der IT abgenommen wird, sodass nicht „nur“ die Existenzberechtigung der Ärzteschaft, son- dern auch der Kammer reduziert würde. Und da hilft die tiefste Überzeugung der Ärzteschaft und der Kammer, dass wir unersetzbar seien, wenig bis nichts. Dr. Alexander Doder ist niedergelassener Facharzt für Innere Medizin (ÖGK, BVAEB, SVS, KFAG, KFAW) in Graz.   2 D BATTE Alexander Doder Telemedizin ersetzt „Brachymedizin“ nicht

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