AERZTE Steiermark | September 2020
ÆRZTE Steiermark || 09|2020 11 COVER Foto: Library of Congress lich größerer Anteil unter den derzeit nicht Impfbereiten hat Sicherheitsbedenken, die man durch Transparenz und gute Auflärungskampagnen noch ausräumen könnte. Was auch auffällt, ist der Gen- dergap: Männer sind impfbe- reiter als Frauen. Das Phäno- men kennen wir auch von an- deren Untersuchungen. Sind Männer vernünftiger, ängst- licher …? Was ist eine wahr- scheinliche Erklärung? Schreyögg: Wir wissen, dass Männer risikobereiter sind. Derzeit wird ein Impfstoff von vielen als Risiko gesehen. Mit diesem Risiko können Männer besser umgehen als Frauen. Welche Rolle spielt das Alter der Befragten? Schreyögg: Es ist auffällig, dass die Impfbereitschaft ab 55 zunimmt. Sie ist insgesamt bei älteren Menschen höher als bei Jüngeren. Befürchten Sie, dass die Impf- bereitschaft weiter sinken wird? Wie kann man gegen- steuern? Schreyögg: Derzeit ist keine Trendumkehr in Sicht. Nur durch massive Auflärungs- kampagnen und viel Transpa- renz wird man das Vertrauen in die Impfstoffe erhöhen können. Obwohl es die Impfung noch gar nicht gibt, fürchten viele Nebenwirkungen. Auch hier dominieren die Frauen. Wird diese Angst geringer werden, wenn es einen gut unter- suchten Impfstoff gibt? Schreyögg: Das grundsätz- liche Problem ist, dass man die Nebenwirkungen bei vie- len anderen Impfstoffen über Jahre beobachten konnte. Das wird hier nicht möglich sein. Deshalb muss man hier se- quenziell vorgehen und nach positiv erfolgten klinischen Studien und der Marktzulas- sung erstmal Risikogruppen impfen. So wird man wei- tere Erkenntnisse durch die Massenanwendung sammeln und kann dann Stück für Stück die Impfung auf weitere Bevölkerungsteile ausweiten. Die Impfbereitschaft ist für unterschiedliche Impfungen sehr verschieden. Die Masern- Impfung findet zum Beispiel weit mehr Zustimmung als die Influenza-Impfung. Wo- durch sind diese Unterschiede erklärbar? Schreyögg: Bei der Ma- sernimpfung stehen Kinder im Vordergrund. Daher ist dies auch eine emotionale Frage. Kinder möchte man auf jeden Fall schützen. Bei der Influenza-Impfung spielt wiederum eine Rolle, dass diese insbesondere für Äl- tere empfohlen wird und sich viele Jüngere nicht als Risiko- gruppe sehen. Zudem kön- nen einige Ältere aufgrund von Vorerkrankungen nicht geimpft werden. Sind noch weitere Befragungs- wellen geplant? Schreyögg: Ja, die letzte gab es im August, danach folgt die nächste im Oktober. „Nur durch massive Auflärungskampagnen und viel Transparenz wird man das Vertrauen in die Impfstoffe erhöhen können.“ Impfbereitschaft nach Ländern – große Unterschiede April-Befragung des HCHE – Ergebnisse für 7 Länder (+ Sonderauswertung Lombardei) 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 70 % 60 % 80 % 90 % Italien ohne Lombardei Deutschland Großbritannien Dänemark Ja Nein Unsicher Portugal Niederlande Frankreich Lombardei Die Befragung in sieben europäischen Ländern über die (noch hypothetische) Bereitschaft, sich gegen COVID-19 impfen zu lassen, zeigt nicht nur eine insgesamt sinkende Impfbereitschaft, sondern auch beträchtliche Unterschiede zwischen den Ländern. Im April wollten sich 80 Prozent der Dänen sowie 79 Prozent der Briten und Lombarden impfen lassen, aber nur 62 Prozent der Franzosen und 70 Prozent der Deutschen. HCHE-Direktor Jonas Schreyögg vermutet hinter diesen Differenzen historische Gründe. An der unterschiedlichen Qualität der Impfinformation dürfte es aber nicht liegen … Quelle: The European Journal of Health Economics, Juni 2020
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