AERZTE Steiermark | September 2020
16 ÆRZTE Steiermark || 09|2020 CORONA-STRATEGIE KLAUS VANDER GEORG STEINDL Vor einem halben Jahr war die Möglichkeit des Direkt- nachweises von SARS-CoV-2 nur ein paar Labors weltweit vorbehalten. Mittlerweile ist der Corona-PCR-Test an vie- len Institutionen etabliert und zählt zu einer der (nach)ge- fragtesten Laborleistungen im gesamten mikrobiologisch- diagnostischen Spektrum. Zu Recht? Sein Ergebnis er- möglicht prinzipiell Entschei- dungen, die – wie wir in den letzten Monaten vielerorts erfahren haben – von höchs- ter klinischer Relevanz, aber auch von großer gesellschaft- licher Tragweite sein können. Kaum ein anderer mikrobio logischer Erregernachweis stand je so im Fokus von Expertendiskussionen, war Spielball politischen Dis- kurses, Rettungsanker für im Sturm der Pandemie verloren geglaubte Kohorten von Ver- dachtspatientinnen und -pa- tienten, diente als Schlüssel gleichsam zur Ausrufung wie zum Schließen von (zugewie- senen) COVID-Bereichen in Krankenanstalten. In vielen dieser Funktionen war es jedoch nicht das Test- Ergebnis selbst, das die er- sehnten Antworten lieferte, sondern die bloße Verfügbar- keit von Tests, die zur alles entscheidenden Kraft erhoben wurde. Die Sorge um ange- messene Quantität schien die Qualität der Sorgfalt im Um- gang mit der Indikation und dem Resultat eines Tests zu dominieren. Die Erfahrungen aus der ersten COVID-19-Welle haben uns vor Augen geführt, dass die weltweite Verknappung von Test-Kits, die auch hierzulande spürbar war, den Wunsch und das Bedürfnis nach dieser be- gehrten Ressource noch weiter gesteigert hat, dieses Bedürfnis jedoch nicht immer gestillt werden konnte. Deshalb scheint es umso wichtiger, sich in der Vorbe- reitung für die anstehende, und höchstwahrscheinlich in- fektiologisch wie auch kran- kenhaushygienisch heraus- fordernde Herbst- und Win- tersaison kritisch die Frage zu stellen, welchem Zweck die Ressource Corona-PCR un- tergeordnet werden soll. Der unkritische Ruf nach „Testen, Testen, Testen!“ ist der gewissenhaften Vorbereitung genauso wenig zuträglich wie mehrtägige Wartezeiten auf Testtermine und -ergebnisse; hier ist Differenzierung nötig, einerseits um Gesunde nicht krank zu testen, andererseits um eine Verbreitung und den Eintrag von SARS-CoV-2 in sensible Bereiche bestmöglich zu unterbinden. Differenziertes System zur Infektionsprävention Mit diesen Gedanken im Hin- tergrund wollten wir am Insti- tut für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie (IKM) der KAGes die Erfahrungen der letzten Monate unter anderem dazu nutzen, ein differen- ziertes System zur Infektions- prävention zu fördern, das Corona-Tests miteinbezieht, jedoch auch deren Grenzen in Bezug auf Transmissionsprä- vention aufzeigt. So können wir hoffentlich einen Beitrag dazu leisten, den Spagat zwi- schen Bedürfnis und realem Nutzen sowie lokaler Verfüg- barkeit ressourcenschonend und vor allem im Sinne der Patient*innensicherheit zu bewältigen. Mit einem Sys- tem, das horizontale infekti- onspräventive Maßnahmen niederschwellig anbietet, und dort, wo notwendig, gezielt erweiterte diagnostische, the- rapeutische sowie präventive Schritte setzt. Unsere Präventionsmaß- nahmen fußen auf drei Prin- zipien zur Unterbrechung des Übertragungsweges von re- spiratorischen Infekten: der Unterbrechung der Übertra- gung des Erregers über die Luft oder über Oberflächen, der Unterbindung der Frei- setzung des Erregers an der Quelle, und dem Schutz emp- fänglicher Personen. Respiratorische Tröpfchen werden beim Niesen und Husten, aber auch beim lauten Sprechen mit hoher Geschwindigkeit emittiert und können hierbei Distan- zen von rund zwei Metern überwinden. Somit kann zur Unterbrechung der Übertra- gung von SARS-CoV-2 über die Luft die Wahrung eines empfohlenen Abstandes von eben diesen rund zwei Me- tern dienen. Händehygiene und Desinfektion Eine kontaktassoziierte Über- tragung von SARS-CoV-2 kann als indirekte Übertra- gung über mit Atemwegsse- kret kontaminierte Vehikel erfolgen. Wesentliche Präven- tionsmaßnahmen sind da- her Händehygiene sowie das Vermeiden des Kontaktes der Hände mit Mund, Nase und Augen. Eine Intensivierung der Flächendesinfektion in Fachliche Aspekte zu Diagnostik und Prävention von SARS-CoV-2. Gedanken zu Corona-Tests – und Foto: KAGes/LKH Graz II Klaus Vander (l.) und Georg Steindl: „Setzen wir nicht alles auf eine Test- Karte.“
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