AERZTE Steiermark | September 2020
ÆRZTE Steiermark || 09|2020 31 GESUNDHEITSPOLITIK und verwaltungstechnischen Strukturschwäche, es war in einer „verletzlichen Lage“, wie Rektor Müller schreibt: Die neue Regierung aus Volks- partei und Grünen erst seit Jänner im Amt, der „alte“ Oberste Sanitätsrat mit Ende Dezember 2019 außer Funk- tion, der neue noch nicht bestellt, kein Generaldirektor für Öffentliche Gesundheit, weil diese Funktion noch von der vorherigen Regierung abgeschafft worden war – es fehlte also an einigermaßen routinierter Führung im Ge- sundheitsbereich, so Müllers Befund. Dazu ein in die Jahre gekommener Pandemieplan, stark auf die Influenza fo- kussiert und seit H5N1- und H1N1-Zeiten nicht mehr wirklich erneuert. Aber dann kam Österreich in die Gänge: Am 23. Februar, schreibt Müller, gab es eine erste breite Besprechung mit Entscheidungsträgern in der Stadt Wien und die Etablie- rung eines Krisenstabes. Eine Erhöhung der Testkapazitäten am Institut für Virologie der Medizinischen Universität wurde in die Wege geleitet und das System der Heimqua- rantäne für COVID-19-Fälle samt Verfolgung von Kon- taktpersonen. Die Testung von Pneumonie-Patientinnen und -Patienten auf SARS- CoV-2 wurde fixiert. Gleich- zeitig konnte Müller nach eigenem Bekunden den ersten Kontakt zur österreichischen Bundesregierung und zum Gesundheitsministerium her- stellen. Anfangs breiter Konsens in Politik und Gesellschaft Anfang März gingen die In- fektionszahlen steil nach oben. Man wusste, dass man längst nicht alles wusste, auch dass die Daten aus China nicht völlig auf die Situation in Österreich umlegbar waren. Man musste aber befürchten, dass ohne energische Maß- nahmen die österreichischen Kapazitäten überfordert wer- den könnten … Kaum Unterstützung für Laissez-faire Das war wohl ein wesentlicher Grund dafür, dass es anfangs einen breiten politischen und gesellschaftlichen Konsens gab (der dann später bröckelte), ohne den die Grundlage für das Bündel an Maßnahmen in Österreich gefehlt hätte. Für das Laissez-faire-Konzept der Herdenimmunität, das anfangs in Großbritannien, den Nie- derlanden oder den USA ver- folgt wurde, gab es dagegen kaum Unterstützung, schon mehr für den sanfteren schwe- dischen Zugang. Aber, so bi- lanziert Rektor Müller, der strenge österreichische Weg habe zu einer beträchtlichen Reduktion der zu befürchten den Todesfälle um annähernd die Hälfte sowie zu einer deutlichen Senkung der In- fektionsrate in der Bevöl- kerung geführt. Womit wir wieder am Anfang wären. Der Rest ist Geschichte, auch wenn die noch nicht zu Ende erzählt ist. https://link.springer.com/ article/10.1007/s00508-020- 01693-y maintopic WienKlinWochenschr(2020)132:353–355 https://doi.org/10.1007/s 00508-020-01693-y ThestartoftheAustrianresponsetotheCOVID-19crisis: apersonalaccount MarkusMüller Publishedonline:12June2020 ©TheAuthor(s)2020 Thefirstreportsabouthuman-to-humantransmis- sion of a new severe acute respiratory syndrome (SARS)virusinWuhan,China,whichemergedinJan- uary2020metarelaxedsentimentamongexpertsand thepublicinAustriawhowerereminiscentofsimilar reportsonSARS1, H1N1orH5N1. Evenwarnings bytheWorldHealthOrganization(WHO)ofCOVID- 19asa“healthemergencyofinternationalconcern” [ 1 ], media coverage on the spread of the virus in AsiaandonthesituationoncruiseshipDiamond Princess [ 2 ] and first reports and preprints about clinicalcoursesanddiseasecharacteristics[ 3 – 7 ]did notleadtoanyparticularprecautionsorchangein sentiment. Itwaswidelyassumedthatcontainment ofthediseasewouldbeaccomplishedinAsialikefor SARS.Increasingknowledgeaboutnon-symptomatic spreading and high casefatality rates inthe older population, ledtocomparisonswithinfluenzaand theEuropeanCentreforDiseasePreventionandCon- trol(ECDC)riskassessmentfourthupdatereported a“low”riskofCOVID-19forEuropeanmemberstates on14February2020[ 6 ]. AfterpersonalconsultationswiththeHeadofthe ViennaCityHospitals,Irequestedajointmeetingwith theMagistrateoftheCityofViennaontheconse- quencesofapotentialCOVID-19threatinVienna, whichledtoafirstmeetingofstakeholdersinVienna on23Februaryandtheimplementationofacrisis board.Amongotherissuesitconcludedthat(a)SARS- CoV-2testcapacities,whichhadbeenestablishedat theInstituteofVirologyattheMedicalUniversityof Viennaneededtobescaledup,(b)anynewCOVID- 19casesshouldfirstbecontainedathomeandcon- Univ.-Prof.Dr.M.Müller( ) Rector,MedicalUniversityofVienna, Spitalgasse23,1090Vienna,Austria markus.mueller@medu niwien.ac.at tacttraced, (c)allcommunity-acquiredpneumonia (CAP)casesinViennahospitalsshouldbescreenedfor SARS-CoV-2. Onthesameday,Imadecontactwith theAustrianGovernmentviaaParliamentarianofthe GreenParty,whichwasresponsiblefortheMinistryof HealthinacoalitionwiththePeoplesParty.Froman administrativepointofview,Austriawasinavulnera- bleposition,asthenewgovernmentwasinofficeonly untilJanuary2020andtheNationalSanitaryCouncil, whosetermhadexpiredon31December2019,had notbeenre-established.ThepositionoftheNational GeneralDirectorforPublicHealthhadbeenremoved byapreviousgovernmentandneverbeenreinstalled andthepandemicplandatedbacktotheemergence ofH5N1andH1N1andfocusedoninfluenza. On24FebruaryIwasaskedbytheAustrianMin- istryofHealthtosuggestapanelofexpertswhocould advisetheMinisterofHealth.On28Februarythisad- visorycouncilwasintroducedtothepublicandfirst pursuedaCOVID-19containmentstrategy. Thefirst caseofCOVID-19inAustriawasreportedon25Febru- aryandon27FebruarytheCAPscreeninginitiative reportedafirstCOVID-19caseinaViennaHospital intensivecareunit(ICU).On28FebruarytheWHO publishedareportoftheWHO-Chinajointmissionon COVID-19providingfurtherdetailsontheoutbreakin China,includingfatalityratesandasymptomaticcar- riers[ 7 ]. AtthebeginningofMarch,theeffectivereproduc- tionnumber(R eff )ofCOVID-19infectionsinAustria wasaround3.0,thedoublingtimearound2daysand thedailyincreasearound40%.Itwasclearfromthe beginningthattheavailabledatafromChinawere probablypronetosubstantialreportingbiasbutde- spitethequestionoftheindividualriskprofile,dif- ferentmodellingapproachesshowedthatasynchro- nizedappearanceofseverecaseswouldprobablyalso overwhelmtheAustriancapacities,whichwasinline K ThestartoftheAustrianresponsetotheCOVID-19crisis:apersonalaccount 353 Der Bericht erschien im Juni in der Wiener Klinischen Wochenschrift. Hat Österreich immer alles perfekt gemacht? Wohl kaum, denn das hat niemand. Der Rektor der Medizi- nischen Universität Wien beschreibt und begründet aber einen „österreichi- schen Weg“, der Erfolge brachte und auch international gelobt wurde. Foto: Schmidt
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