AERZTE Steiermark | Oktober 2020
14 ÆRZTE Steiermark || 10|2020 ALLGEMEINMEDIZIN Versorgung von Grippeerkrankten im Walter Reed Hospital, Washington, D.C., 1918/1919 So manche Allgemeinmedizi- nerin, so mancher Allgemein- mediziner hätte sich in der ersten Phase der Pandemie wohl mehr Arbeit gewünscht. Nämlich um ihre bzw. seine Patientinnen und Patienten wie gewohnt rundum versor- gen zu können. Doch zu Be- ginn der Coronazeit herrschte Verwirrung, war noch keine Schutzkleidung vorhanden und den Kranken und Rat- suchenden wurde überdies geraten, die Ordinationen zu meiden. Sym tom- und Risi- kobewertung sollte per 1450 vorgenommen werden, Tests konnten HausärztInnen kei- ne anordnen – und entspre- chend an den Rand gedrängt fühlte sich die Mehrzahl von ihnen. Das ergab zumindest die erste Auswertung des Pro- jektes CoviPrim, einer inter- nationalen Studie zur Rolle der Hausärztinnen und -ärzte während der Pandemie, die sowohl die spezifischen He- rausforderungen dieser Zeit als auch die von der Ärzte- schaft in diesem Zusammen- hang entwickelten Strategien erfasst. Von bilateral zu international Während das Projekt bilateral startete – unter Mitwirkung des Grazer Instituts für Allge- meinmedizin und evidenzba- sierte Versorgungsforschung (IAMEV), dem MUG-Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Dokumentation, dem Institut für Allgemein-, Familien- und Präventivme- dizin der Paracelsus Medi- zinischen Privatuniversität Salzburg sowie dem Institut für Allgemeinmedizin der Johann Wolfgang Goethe- Universität in Frankfurt am Main – und im Deutschen Studienregister eingetragen ist, erweiterte sich sein Ein- satzgebiet im Laufe der Zeit. Bereits im April wurde ein australisches Pendant gestar- tet, danach folgten Südtirol, Slowenien, Ungarn und die Schweiz. Auf Basis einer Literaturre- cherche und 14 semistruktu- rierter Telefoninterviews mit Hausärzten wurde ein Basis- fragebogen entwickelt, den 2.187 Ärztinnen und Ärzte schon im April beantwortet haben. Viele davon haben sich auch bereiterklärt, an den ein- bis zweiwöchent- lichen Nacherhebungen teil- zunehmen, die einerseits eine Veränderung der Stimmung Was macht eigentlich der Hausarzt während der Pandemie? Symptomabklärung via 1450-Hotline, Testung durch mobile Teams oder im Labor, Schwerkranke auf den Intensivstationen im Spital – was war und ist eigentlich die Rolle der HausärztInnen während der COVID-19-Pandemie? Eine fortlaufende Studie* des Instituts für Allgemeinmedizin widmet sich dem Thema. detektieren und sich ande- rerseits jeweils einem Spezial- thema widmen. Schlecht vorbereitet Zu Beginn der Pandemie, so die Studienergebnisse, fühl- ten sich 77 Prozent der Be- fragten nicht gut gerüstet für die neuen Herausforde- rungen. 89 Prozent verfügten nicht über genug Schutzaus- rüstung, 91 Prozent konnten nicht einschätzen, wieviel da- von sie benötigen würden und 78 Prozent waren sich im Un- klaren, wo sie die Schutzaus- rüstung beschaffen könnten. Besonders unzufrieden waren die Hausärztinnen und -ärzte mit dem Procedere rund ums Testen. 93 Prozent wollten selbst entscheiden, wer von ihren Patienten getestet wird – und diese wichtige Auswahl nicht dem Team von 1450 überlassen. 87 Prozent hät- ten eine eigene medizinische Hotline begrüßt, unter der sie ihre Patientinnen und Patienten zum Test anmel- den können, denn 72 Prozent waren der Meinung, es werde zu wenig getestet und sie selbst hätten zu wenig Zugang zu Testmöglichkeiten. Durch die neue Regelung, wonach Hausärztinnen und -ärzte nun selbst Tests durchführen können, hat sich die Situation inzwischen vermutlich geän- dert. Mehr als acht von zehn hätten es schon zu Beginn der Pandemie bevorzugt, die eigenen COVID-19-positiven Patienten selbst hausärztlich betreuen zu können. Reger kollegialer Austausch Außen vor haben sich die Hausärztinnen und -ärzte aber nicht nur im Bereich des Testens gefühlt, sondern auch in der Informationspolitik: 71 Prozent der Befragten ga- ben an, sich von der öffentli- chen Hand nicht ausreichend informiert zu fühlen; ebenso viele haben wichtige Infor- mationen zunächst den Me- Begleitendes Mo Primärversorgung in H während der COVID Präsentation: Andrea Siebenhofer-Kroitzsch, Maria Fl 93 Prozent wollten selbst entscheiden, wer von ihren Patienten getestet wird – und diese wichtige Auswahl nicht dem Team von 1450 überlassen.
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