AERZTE Steiermark | Oktober 2020
WIRTSCHAFT & ERFOLG WALTER HOCH Der Lockdown und die Fol- gezeit demonstrierten vielen Patientinnen und Patienten, dass Pünktlichkeit „gesund“ ist. Wer seine per Telefon oder E-Mail vereinbarte Zeit in der Ordination einhält, reduziert die Gefahr, zusam- men mit anderen, eventuell „unsicheren“ PatientInnen im selben Raum zu warten und sich anzustecken. Den ÄrztInnen ermöglicht diese verbesserte Berechenbarkeit ein zügiges Arbeiten. Ener- vierende „Akut“-Fälle müssen sich der Pufferzone eines ge- ordneten Ordinationsablaufs stellen und lernen – vielleicht – fürs nächste Mal dazu. Verordnete Sauberkeit Auch etwas, das für Ärzt Innen immer schon selbstver- ständlich war – aber leider für die allermeisten PatientInnen ziemlich „abwegig“, hat sich zum Besseren gewendet: Die „Maßnahme“ des gründlichen Händewaschens hat das Hygie- nebewusstsein der Allgemein- heit doch deutlich gehoben. Ein Grund, warum es derzeit – zumindest gefühlt – weni- ger banale Infektionen gibt und ein wichtiger Beitrag zur Senkung der saisonalen Über- sterblichkeit in Pflegeheimen. Made in Europe Als im März das Virus über die Ärzteschaft hereinbrach, herrschte ein ek latanter Mangel an Schutzmasken, Schutzkleidung und Tests. Sie vielen Men- schen zu Be- w u s s t s e i n , dass es bereits ei ne Impf ung gegen Inf luen- za gibt. Obwohl die Inf luenza- Todesfälle zu- letzt jährlich in die Tausende gingen, lag die Beteiligung an dieser Impfung bislang bei nur 8 Prozent. Un- ter dem Druck von Corona ist nunmehr die Influenza-Imp- fung für Kinder u n d Jugendliche zwischen 2 und 15 Jahren in das Gratisimpf- programm aufgenommen worden. Zudem wurden 1,25 Mio. Inf luenza-Dosen be- stellt, das bedeutet eine Stei- gerung um mehr als 60 Pro- zent gegenüber den 765.000 Dosen 2019. All das soll die Impfbeteiligung entschieden steigern – sofern genügend Dosen zur Verfügung ste- hen. Auch letztere Kautel ist als Fortschritt zu betrachten, wäre doch bisher undenkbar gewesen, dass Medien und öffentliche Meinung allfäl- lige Mangelversorgung mit Grippe-Impfstoff monieren. Digitale Medizin als große Gewinnerin Corona hat auch die Inte- gration digitaler Lösungen ins Gesundheitssystem en- orm beschleunigt und die Diskussionen über Regulie- rung und Si- cherheitsstan- dards begünstigt. Telemedizin füllt bislang vor allem das Feld der auto- matisierten medi- zinischen Dienste. Als besonders ef- fektiv hat sich der Zweig des Telemo- nitoring bzw. Re- mote Monitoring erwiesen. So erhal- ten etwa Patient Innen mit Herz- insuffizienz oder Diabetes für Zu- hause ein Set mit Mobiltelefon, Blutdruckgerät, Körperwaage bzw. Blutzu- ckermessgerät. Die Messge- räte leiten die Vitalparameter elektronisch an den Arzt bzw. die Ärztin zur Kontrolle wei- ter. Bei Überschreitung der vorgegebenen Grenzen erhal- ten diese eine Meldung und leiten entsprechende Maß- nahmen ein. Auch kann ein strukturiertes Abfragen mit- unter ersetzen, dass eine Ärz- tin/ein Arzt vor Ort „in den Mund hineinschauen“ muss. Beim Zweig Teletherapie greift der Arzt/die Ärztin ak- tiv aus der Entfernung in die Behandlung von Patientinnen und Patienten ein – etwa über den Remote-Desktop. Wenn ein Arzt/eine Ärztin bei einem/einer Kollegen/in eine Zweitmeinung nachfragt, fällt das unter Telekonzil. Etwa bei der Fernbefundung in mussten erst aus China bzw. Osteuropa angefordert wer- den, bevor heimische Herstel- ler die Produktion qualitativ hochwertiger Schutzmateri- alien aufnahmen – aber ver- zögert und mit viel kleineren Mengen. Um Engpässe zu vermeiden, wurde mittler- weile von der Ärztekammer Steiermark eigens ein Groß- raumlager für solche Vorräte angelegt. Ein – hoffentlich heilsamer – Schock waren diese Engpässe auch insofern, als sie die Aufmerksamkeit auf die Wichtigkeit regionaler bzw. wenigstens europäischer Medikamentenproduktion richteten: „Es braucht jetzt Investitionen in die europä- ische Pharmaindustrie und in die europäische Produktion von technischen Hilfsmitteln wie Schutzausrüstung für den Infektionsschutz und Beat- mungsgeräten. Dass ein gro- ßer Teil der Produktion wich- tiger medizinischer Güter in den vergangenen Jahrzehnten zusehends in den Fernen Os- ten ausgelagert wurde, ist uns eine der schmerzlichsten Er- kenntnisse dieser Pandemie“, brachte ÄK-Präsident Herwig Lindner die Misere auf den Punkt. Ein erster „Lernef- fekt“ solcher Kritik ist bereits erfolgt: Eine der letzten Pro- duktionsstätten von Penicillin in Europa wanderte nicht ab, sondern bleibt nunmehr in Kundl und wird um 150 Mil- lionen Euro modernisiert. Comeback des Impfens Zudem brachte COVID-19 Dass Krisenzeiten vereinzelt Entwicklungen antreiben, ist nicht erst seit dem Radar bekannt. Auch wenn sie mit viel Leid und Kosten erkauft werden, zeichnen sich doch einige Benefits der Corona-Krise ab. Werden sie bleiben? Corona als Treiber Illu: Shutterstock 34 ÆRZTE Steiermark || 10|2020
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