AERZTE Steiermark | Oktober 2020

ÆRZTE Steiermark  || 10|2020 45 NIEDERGELASSENE ÄRZTINNEN UND ÄRZTE ÄrztInnen mit Hausapotheke, sie hätten heuer mehr Impf- stoff bestellt als im letzten Jahr. Gleichzeitig verfügen nur 54 Prozent davon über eine Zusage, dass sie die be- stellte höhere Impfstoffmenge von ihren Lieferanten auch bekommen werden. In Summe liegt die zugesagte Impfstoffmenge ein Viertel un- ter der bestellten. Schuld daran sei die Stadt Wien, die erfolg- reich deutlich mehr Impfstoff organisiert habe als zuletzt, hieß es dazu aus dem Gesund- heitsministerium. Diese Erklä- rung lässt die Ärztekammer nicht gelten: „Wenn eine Stadt Wien mehr Impfstoff beschaf- fen kann, sollte es der Staat Österreich auch können.“ erwartende Impfstoff-Menge nicht ausreichen wird, um einen wesentlich größeren Ansturm auf die Impfung als in den letzten Jahren be- wältigen zu können. Da hat das Gesundheitsministerium den Mund sehr voll genom- men, wenn es eine deutliche Erhöhung der Impf beteili- gung versprach, gleichzeitig aber wissen musste, dass es die große Impfstoff-Menge dafür nicht gibt – auch nicht für Geld. Dazu gibt es viele Erzählungen aus öffentlichen Apotheken, harte Zahlen lie- fert eine Umfrage unter den hausapot hekenf ührenden ÄrztInnen in der Steiermark. Zwar sagen fast drei Viertel (72 Prozent) der befragten Fotos: Stelzl, Adobe Stock Der ganz normale Praxiswahnsinn PRAKTISCH TÄGLICH Von Ulrike Stelzl Was man eigentlich nie über seine Patienten wissen wollte Als Hausärztin erfährt man so einiges von seinen Schützlingen, das man irgendwie lieber nicht gewusst hätte. Wer Intertrigo hat, wem gerade ein Abszess geplatzt ist und stinkender Eiter entleert wurde, wessen Fisteln man doch begutachten muss, bevor man ihn zum Proctologen überweist, und wer sich welches Souvenir von seiner Südostasienreise mitgebracht hat. Seit heuer ist die Auswahl der Köstlichkeiten noch um ein Schmankerl reicher. Gelegentlich muss man sich ja trotz COVID die eine oder an- dere Angina oder einen Hexenschuss im Nacken persönlich ansehen. Es gibt Grenzen der Telemedizin. Zu diesem Zwecke nimmt der Patient dann seine Maske ab und der Hausarzt hat einen ungehinderten Blick in die Innenseite des Schlatzfetzens. Und was ich da so zu sehen bekomme, reicht, um mir den Appe- tit bis 2022 zu verderben. Da beim Betreten des Restaurants jetzt wieder Maske getragen wird, hat mich die Gastronomie leider verloren. Erstens halte ich die Vorschrift für hirnrissig. Denn ist das Lokal so voll, dass man beim Reingehen fünfzehn Minuten an den anderen Gästen drankuschelt, hilft die Maske auch nix mehr. Ist es das nicht, ist sie unnötig. Und der Anblick der vor sich hindämpfelnden Grausfetzen auf den Nebentischen ist für mich mit dem Essen nicht vereinbar. Über den Sinn von Masken in vielen Bereichen müssen wir glau- be ich nicht diskutieren. Über den Unsinn in anderen und in der Handhabung aber dringend. Meine beiden Lieblingsanekdoten habe ich heuer im Sommer in Frankreich erlebt: Wir gehen rein in eine kleine Bäckerei, kein Mensch drin. Die Verkäuferin erblickt uns, putzt sich schnell noch mit den Fingern den Rotz von der Nase, legt dann die Maske über selbige und greift nach unserem Baguette. Welches sie natürlich uneingepackt auf die Schale mit dem Kleingeld auf der Theke legt. Wider Erwarten bin ich nicht am Graus verstorben. Am Weg zurück zum Auto gehen wir durch einen Park. Eine Gruppe von Jugendlichen steht herum. Alle tragen brav Maske im Freien und halten einen Meter Abstand. Als Ausgleich lassen sie einen Milkshake umhergehen und jeder nuckelt am selben Strohhalm. So vorbereitet wundert es mich nur mehr selten, wenn meine Patienten der Niesreiz packt und sie ganz schnell die Maske lüften, um in die vorgehaltene Hand zu schlatzen. Dr. Ulrike Stelzl ist niedergelassene Ärztin für Allgemein­ medizin. Mehr von ihr gibt es im Buch „Hallo Doc! 2 Der ganz normale Praxiswahnsinn“ (erhältlich bei Amazon) Prozentsatz der hausapothekenführenden Ärztinnen und Ärzte, die erwarten, weniger Impfstoff zu erhalten, als sie bestellt haben 80

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